Porträt 30. Oktober 2020, von Marius Schären

Von der Kanzel an die Klimademo

Politik

Sie predigt als methodistische Pfarrerin und demonstriert als Klimaaktivistin. Für Sarah Bach befruchten sich Glaube und Aktivismus gegenseitig. Auch praktisch setzt sie das um.

Lebendig im unmittelbaren Sinn des Wortes wirkt Sarah Bach – treffender im Dialekt: läbig. Sie schaut wach, spricht sprudelnd, aber zugleich bedacht, und sie hört gut zu. Es scheint ein Feuer in ihr zu brennen für alles, was sie tut. Das ist so einiges. Und für manche scheint es nicht ganz zusammenzupassen.

Die 28-Jährige Bernerin ist in ­einem Vollzeitpensum als Pfarrerin in der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz tätig, in Schwarzenburg und Gstaad. Zudem ist sie mit ganzem Herzen Klimaaktivistin. So war sie bei der Besetzung des Berner Bundesplatzes Ende September mit dabei. Das Ziel, das die Bewegung mit der Aktion hatte, sieht sie erreicht: «Wir haben Aufmerksamkeit erregt, das Thema kam wieder in den Medien, und es haben sich Gespräche ergeben», lautet die Bilanz der Pfarrerin.

Die Polizei leidet auch

Dass über die Form des Protests, die illegale Besetzung, öffentlich intensiv diskutiert wurde, gehört für Sarah Bach dazu. «Die Auseinandersetzung mit der Form des gewaltfreien Widerstands ist auch wichtig.» Alle Personen auf dem Platz hätten ein Training gehabt in dieser Form.

Die Polizei etwa wird dabei nicht als Gegner gesehen – denn auch sie sind von Klimaveränderungen betroffen. Schliesslich gehe es darum, die Menschlichkeit des Gegenübers zu bewahren. «Insgesamt war ich sehr beeindruckt vom Handeln der Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch vom Vorgehen der Polizei und der Regierung», sagt Sarah Bach.

Ich spüre viel Interesse, aber auch Skepsis und Unsicherheit.
Sarah Bach, Pfarrerin und Aktivistin

Doch wie kommt sie überhaupt dazu, so zu rebellieren – und zugleich verhältnismässig brav in der Jungen Evangelischen Volkspartei (JEVP) in Schwarzenburg zu politisieren? Die Pfarrerin lacht. Als Sarah könne sie beides wunderbar miteinander vereinbaren. «Und als EVP-Mitglied unterstütze ich sowohl die manchmal etwas trocke­-ne poli­tische Arbeit als auch den Aktivismus: Es braucht beides, um Anliegen einzubringen und umzu­setzen.» Für sie befruchte sich das gegenseitig. Aber sie respektiere auch jene, die das anders sehen.

Grundauftrag für Christen

Zum Aktivismus ist die Bernerin durch ihr Studium in den USA gekommen. «Ich war dort während der Trump-Wahl vor vier Jahren. Zu dieser Zeit las ich in einem Artikel des Theologen Jürgen Moltmann, Gerechtigkeit könne man nicht delegieren.» Damit war klar, dass sie sich engagieren will. Für ihren Master habe sie sich dann vor allem mit Ökotheologie beschäftigt, mit der Frage, ob der Glaube, die Bibel und die Theologie etwas zum Thema Ökologie zu sagen hätten. Ihr Fazit lautet: «Ich glaube, es ist ein Grundauftrag christlicher Ethik, sich fürs Klima einzusetzen.»

So kam sie vor einem Jahr zur christlichen Klima-Aktion. Mit dabei seien ganz unterschiedliche Menschen verschiedener Konfessionen. Weil sie als Christinnen und Christen anderen Gläubigen Themen besonders gut vermitteln könnten, seien sie vor der Demo auf dem Bundesplatz mit Transparenten durch die Kirchen gezogen. Ihr Glaube und ihr Engagement bedingten sich quasi gegenseitig, erläutert Sarah Bach den Grund für ihr Tun: «Ich will mir nicht vorstellen, welchen Gott wir dieser Welt verkünden, wenn wir weiterhin so tun, als würde die Klimakrise uns als Christen nichts angehen.»

Vor allem die Jungen

Die Reaktionen auf ihr Handeln erfährt die Pfarrerin häufig in den Workshops, Vorträgen und Gottesdiensten deren Gestaltung die christliche Klima-Aktion anbietet. «Aus theologischen Kreisen und von älteren Menschen kommt viel Interesse, aber auch Skepsis, Angst und Unsicherheit», sagt Bach.

Manche sähen die Gefahr, dass man nicht mehr an Gott, sondern an die Natur glaube. Von Jungen erfahre sie in erster Linie Zustimmung. Und auch Befriedigung, dass Glaube und Klima-Engagement ganz gut zusammenpassen. In ihrer ­eigenen Gemeinde sei vor allem wichtig, wie sie als Person sei, sagt Sarah Bach. «Solange ich authentisch bin, schätzen es die Leute.» Das scheint ihr zu gelingen.

www.christianclimateaction.ch

Sarah Bach, 28

Die Bernerin hat in Deutschland und den USA methodistische Theologie studiert und ist Pfarrerin der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz. Sie lebt in Schwarzenburg, wo sie 60 Prozent arbeitet, und ist zudem zu 40 Prozent Pfarrerin in Gstaad. Sie engagiert sich politisch in der Jungen EVP und als Klimaaktivistin.