Recherche 26. August 2019, von Carmen Schirm-Gasser/kirchenbote-online.ch

Opa streikt – damit der Einsatz der Jungen nicht verpufft

Klimastreik

Nach den Jugendlichen streiken jetzt auch die Grosseltern für das Klima. Damit der Einsatz der Jungen nicht verpufft, sagen sie.

Mai 2019, Zürich. Die dritte Grossdemonstration innert drei Monaten findet statt. 10 000 Jugendliche ziehen durch die Strassen. Laut trommelnd demonstrieren sie für einen besseren Klimaschutz. «Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut», hört man sie rufen.

Am Strassenrand werden sie von einer Gruppe von 20 Personen angefeuert, die meisten weisshaarig, einer davon ist René Jaccard, 68. Mit erhobenen Transparenten feuern sie die Schüler an. Er hat das Ganze organisiert und ist glücklich über die Teilnahme der Rentner. «Wir wollten den Jungen zeigen, dass sie nicht allein sind, dass wir sie unterstützen und stolz sind auf sie.» Die Jungen hätten viel Freude an den streikenden Pensionären gehabt. Und sie an den Jungen.

Sorgen um die Zukunft

Schon seit Jahren macht sich der Arzt im Ruhestand Gedanken über das Klima. Als passionierter Bergsteiger sei ihm längst aufgefallen, wie die Gletscher schmelzen und sich die Natur verändere. Seit der Geburt seiner Enkelin macht er sich zusätzlich Sorgen um ihre Zukunft. Denn die derzeitige Klima-Politik sei für die nachkommende Generation eine Katastrophe. Per Zufall stiess er auf ein Interview mit Jacques Dubochet, dem letzten Schweizer Nobelpreisträger für Chemie, Professor an der Universität Lausanne.

Der 80-Jährige erzählt, dass er sich für den Verein Klima-Grosseltern Schweiz engagiere, um zu verhindern, dass das Engagement der Jugendlichen verpuffe. Bis dorthin war der Verein, der 2014 gegründet wurde, nur in der Westschweiz aktiv. In der Folge gründete Jaccard gemeinsam mit Gleichgesinnten die erste deutschsprachige Bewegung der Klima-Grosseltern.

Für Jaccard eine logische Konsequenz. «Die meisten von uns sind pensioniert. Im Gegensatz zur nächsten Generation, die voll im Berufsleben steht, haben wir Zeit zur Verfügung und brauchen auch keinen Lohn für unsere Arbeit.» Heute zählt der politisch unabhängige Verein 1000 Mitglieder, mit lokalen, Deutschschweizer Ablegern in Luzern/Zentralschweiz, Bern, Baselland, Solothurn und Zürich ist er mittlerweile in der gesamten Schweiz aktiv.

Brief an die Ständeräte

Im Januar schrieb Jaccard alle deutschsprachigen Ständeräte an, nachdem der Nationalrat das CO2-Gesetz versenkt hatte. Nun geht es um die eidgenössischen Wahlen vom Herbst: «Wir wollen, dass sich die Mehrheiten im Parlament künftig ändern, in Richtung eines Bewusstseins für das Klima.» Für die Gletscherinitiative sammelte er Unterschriften.

Mit den klimastreikenden Grosseltern war Jaccard an fünf oder sechs Demonstrationen. So genau habe er nicht mitgezählt. Wichtig sei das Ergebnis. Auf dem selbst gebastelten Transparent sind die kleinen Hände der dreijährigen Enkelin abgebildet. Promotionsmaterial, Banner, Logo, alles steht bereit.

Keine Kreuzfahrten mehr

Jaccard versucht, gute Vorsätze umzusetzen. «Viele in unserer Altersklasse verreisen oft, machen Kreuzfahrten und Flugreisen ans andere Ende der Welt.» Wo warst du, wo fährst du hin? Das sei das Thema Nummer eins, wenn man sich treffe. Vor knapp drei Jahren haben er und seine Frau ihre letzte Flugreise gemacht. «Heute reisen wir nur noch an Orte, die man mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht.»

Auf seinem Dach hat Jaccard eine Solaranlage installiert. Das bestehende Heizsystem, früher mit Erdgas, hat er umgewandelt. Heute nutzt er zu hundert Prozent Biogas, aus biologischem Material, CO2-neutral. Und den Fleischkonsum hat er massiv reduziert. Denn, so Jaccard: «Man kann problemlos auf manches verzichten, ohne die Lebensqualität einzuschränken und die Freude am Leben zu verlieren. Wenn nicht uns selbst, so doch unseren Kindern und Enkeln zuliebe.»