Zu den Berichten über die streikenden Schüler werden fleissig Leserkommentare verfasst, die ich meist ebenso interessiert lese wie die Artikel selbst. Vor allem ein wiederkehrender Vorwurf hat mich stutzig gemacht. Viele der Kritiker werfen den Jugendlichen Doppelmoral vor: Sie sind der Ansicht, dass Schüler kein Recht hätten, Klimademos zu veranstalten, solange sie in die Ferien fliegen, Handys benutzen und Coffee to go im Pappbecher bestellen. Natürlich schaden diese Dinge der Umwelt.
Natürlich verzichtet man besser auf Plastikabfall, und natürlich sollten wir konsequent handeln. Das steht ausser Frage. Doch wer so gegen die Streiks argumentiert, hat das Anliegen der Jugendlichen falsch verstanden. Die Forderung nach absoluter Konsequenz würde jedem den Mund verbieten – schliesslich haben wir alle einen zu grossen ökologischen Fussabdruck. Und genau das möchten die Schüler zum Ausdruck bringen: Dass die Klimaproblematik zu gross geworden ist für den Einzelnen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr reicht, Einkäufe in wiederverwendbaren Taschen anstatt Plastiktüten nach Hause zu tragen und kürzer zu duschen. Es braucht nun die Anstrengung von allen. Und das ist ohne gesetzliche Massnahmen nicht möglich.
Die Jugendlichen gehen auf die Strasse, weil sie die Politik dazu bringen wollen, endlich das Steuer umzureissen. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass der Einzelne eben häufig nicht konsequent genug ist. Oftmals fällt es uns schwer zu verzichten oder wir scheitern an der Bequemlichkeit. Doch die eigenen Unzulänglichkeiten dürfen uns nicht völlig blockieren. Deshalb sollten die Streiks nicht als heuchlerische Angriffe verstanden werden, sondern als Zeichen der Einsicht, dass nun definitiv alle Kräfte mobilisiert werden müssen, um eine Veränderung bewirken zu können.