Steinquader wuchten und Risse flicken

Jubiläum

Vor 601 Jahren begann der Bau des Berner Münsters. Vom baulichen Unterhalt der Grosskirche berichtet Steinhauer Andreas Dubach, der das Münster seit 34 Jahren kennt.

Eigentlich wollte Steinhauer Andreas Dubach auch einmal Landschaftsgärtner schnuppern. Doch dann es habe ihm beim Steinhauen so den Ärmel hereingenommen, dass er dabeigeblieben sei. «Bäume- und Sträucherschneiden pflege ich aber als Hobby», sagt er. Und nach der Pensionierung Ende Jahr werde er das weiterhin tun – im Gegensatz zum Steinhauen.

Seine Arbeit als Steinhauer am Berner Münster habe sich in den letzten 20 Jahren ohnehin vom Hauen wegentwickelt zum «Gäggele», wie er lächelnd erklärt. «Wir erhalten am Münster einfach alles, was möglich ist.» Dabei habe er auch seine Durchhängerphasen gehabt – «vor allem, als es vom Handwerk des Steinhauers mehr zu dem des Restaurators ging». Monatelang kleine Risse mit Harz zu füllen, fand er langweilig.

Die Vorteile des Mörtelns

Aber: «Ich habe es nicht bereut, am Münster zu bleiben.» Er habe sehr viel Neues gelernt. Er fülle Risse mit Mikrozement, armiere, mörtle. «Und das muss alles ohne Chemie gehen, das ist aufwendig», sagt Dubach. Das Mörteln mag er gern. «Es bietet schliesslich auch Vorteile gegenüber dem eigentlichen Steinhauen: kaum Staub, keine schweren Steine umherwuchten.»

Und auch die Trockenreinigung mit Schwämmchen hoch oben im Gewölbe des Kirchenschiffs passt dem Steinhauer. «Das ist Dreck von hundert Jahren oder mehr, den ich wegputze.» Heute sei das essenziell: alles so original wie möglich zu erhalten. Was man zu Beginn seiner Zeit am Münster gemacht habe, sei heute verpönt, hält Dubach fest.

Mit Tricks Steine versetzen

Dabei hat ihm die Arbeit damals ganz besonders zugesagt. Die Freude ist heute noch spürbar, wenn er davon erzählt: «Wir arbeiteten mit drei Mann an der Westseite, setzten hier tonnenweise neuen Stein ein. Wir haben Obergadenfenster ersetzt, Masswerk neu gehauen, die Aussenfassade teils neu gemacht, teils zurückgearbeitet.» Zurück­gearbeitet heisst: weggehauen. Das mache man heute eben nicht mehr, «da haben sie gar keine Freude». Dubach findet es verständlich, man zerstöre ja das Originalmauerwerk.

601 Jahre Münster

Am 11. März 1421 wurde der Grundstein für das Berner Münster gelegt. Bis 1575 dauerte der Kirchenbau. Der Turm erhielt um 1588 eine Höhe von ca. 55 Meter und wurde erst 1893 auf einer Höhe von 100.6 Meter vollendet. Damit ist das Münster die höchste Schwei­zer Kirche. Die Feierlichkeiten finden vom 10. bis 13. März 2022 statt.

Programm: www.bernermuenster600.com

Doch gerade das Versetzen fand der Steinhauer am spannendsten. «Es gibt dabei viele Tricks und Kniffe, um die schweren Steine zu platzieren», sagt er. Auch die «Knochenarbeit» im Steinbruch am Gurten, wo er zwei Jahre im Einsatz war, sagte ihm zu. Und das Zuhauen der Steine in der Münsterbauhütte an der Aare unten.

All das lässt den 59-Jährigen auch mit Ehrfurcht und Respekt auf die Erbauer der Berner Kathedrale zurückblicken: «Wie sie das Ganze gebaut haben, damals, das ist schon gewaltig. Diese Gewichte, mit diesen Werkzeugen – alles von Faust gehauen.» Dem Münster Sorge zu tragen, sei es schon wert.

Sicherheit ist gross geschrieben

Unfälle habe es während der ganzen Zeit nie gegeben. «Sicherheitstechnisch schaut man sehr gut», betont der Steinhauer. Doch manchmal überwindet jemand die Sicherheit, weil er es selbst will. Das vergesse man nie, wenn sich ein Mensch das Leben nehme, hält Andreas Dubach fest. Zum Glück habe er es nur einmal selbst mitbekommen.

Obwohl der Steinhauer «nie gedacht hätte», dass er so lange beim Münster bleiben würde, ist er nun doch «auch etwas stolz». Es sei ein gutes Gefühl, an diesem architektonischen und historischen Wahrzeichen zu arbeiten. Doch Dubach glaubt nicht, dass er den Job vermissen wird. Schliesslich kann er bald noch ausgiebiger einer weiteren Leidenschaft frönen: dem Fischen – und zwar «überall».