«Jeder Mensch kommt einmal in eine existenzielle Lage, in der er seine Hand hinhalten muss.» Was Christoph Sigrist, Pfarrer am Grossmünster in Zürich, im Brustton der Überzeugung sagt, bezieht sich nicht auf das Betteln auf der Gasse.
Aber der 59-jährige Theologe und Spezialist für Diakonie, mit der das helfende Handeln gemeint ist, nennt seine Aussage als Grund, warum Angebettelte sich oft schwertun in Begegnungen mit sichtbar Bedürftigen im öffentlichen Raum: «Es berührt uns unangenehm, weil wir es stets beschämend finden, die Hand hinzuhalten, obwohl wir alle irgendwann einmal andere werden um Unterstützung bitten müssen.»
Jeder Mensch wäre gleich
Heute reagiere er nach Gefühl, sagt Sigrist. Manchmal gebe er etwas, manchmal beginne er ein Gespräch. «Ich glaube, ich bin näher an der Lebensrealität, wenn ich in der Situation meine Betroffenheit umsetze.» Vor 20 Jahren aber habe er niemandem etwas gegeben. «Es stimmte damals nicht überein mit meiner Vorstellung von professioneller Unterstützung», resümiert der Pfarrer.