Recherche 04. November 2021, von Christa Amstutz Gafner

Die Suche nach dem Verbindenden

Methodisten

2022 wird sich die weltweite Methodistenkirche wegen unterschiedlicher Haltungen zur Homosexualität voraussichtlich trennen. Patrick Streiff zur Zukunft seines Bischofsgebiets.

Wie war die Stimmung an der Tagung des Exekutivkomitees ihres Bischofsgebiets Ende Oktober in Budapest?

Es war sehr hilfreich, sich wieder physisch treffen zu können. Gerade in schwierigen Situationen sind persönliche Begegnungen wichtig. An einem Runden Tisch sind wir mit allen interessierten Ländern seit März im Gespräch über die Zukunft der Zentralkonferenz in Mittel- und Südeuropa. Auch wenn in vielen Ländern eine konservative Haltung gegenüber Fragen zur Homosexualität vorherrscht, zeigte sich dennoch, dass das gegenseitige Vertrauen wächst. Alle waren bemüht, nicht nur die eigene politische und gesellschaftliche Sicht zu berücksichtigen, sondern sich auch zu fragen, was dies in anderen Kontexten bedeutet.

Die Delegierten von Bulgarien, Rumänien und der Slowakei sehen das aber anders.

Ja, das ist so. In diesen Ländern haben Leitungs- und Pfarrpersonen schon im Frühling beschlossen, an unserem Runden Tisch nicht teilzunehmen und sich stattdessen beim Aufbau einer neuen Kirche zu engagieren. Dafür haben sie einen osteuropäischen Zweig der Wesleyan Covenant Association gegründet. Dieses konservative Bündnis aus den USA, mit Abzweigern auch in Afrika und Asien, will eine internationale traditionalistisch methodistische Kirche aufbauen. Nochmal zu Budapest: Bei jenen Mitgliedern, die sich am Runden Tisch beteiligen, ist eine grosse Gesprächsbereitschaft spürbar.

Wenn wir alles einheitlich regeln wollen, werden wir keinen gemeinsamen Weg finden.

Ihr Bischofsgebiet ist sehr heterogen. Könnten sich die Schweiz und Österreich nicht einfach mit der Zentralkonferenz in Deutschland zusammentun, weil die Chemie da besser funktioniert?

Das ist kein Thema. Man darf nicht vergessen: Viele Gemeinden in der Schweiz stehen seit langer Zeit im Austausch mit Gemeinden in anderen Ländern des Bischofsgebiets. Es gibt gegenseitige Besuche von Pfarrpersonen, Gemeindepartnerschaften, Treffen auf verschiedenster Ebene. Das sind gewachsene Beziehungen, die man nicht einfach so aufgibt. So haben denn auch die verschiedenen Frauenwerke in der Zentralkonferenz schon zu Anfang der Krise signalisiert, dass sie ihre Zusammenarbeit auf jeden Fall fortsetzen wollen.

Für Kirchen etwa in Ungarn oder Polen wird es aber angesichts des gesellschaftlichen und zivilrechtlichen Umfelds schwierig, in der Zentralkonferenz zu bleiben, wenn diese sich gegenüber LGBTIQ-Menschen öffnet.

Das ist so. Und darum ist auch klar: Wenn wir alles einheitlich regeln wollen, werden wir keinen gemeinsamen Weg finden. Deshalb suchen wir nach Möglichkeiten, unterschiedliche Regelungen bezogen auf den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu finden. Entscheidend wird sein, ob man sich diese Freiheit gegenseitig gewährt und dennoch gemeinsam im Glauben verbunden bleiben kann.
Was ich übrigens bedenkenswert finde: Gerade in Ländern wie Polen oder Ungarn gehören die methodistischen Gemeinden trotz allem zu den progressivsten in Bezug auf die LGBTIQ-Gemeinschaft. Einzig vielleicht die lutherische Kirche in Polen ist noch etwas offener.

Friedliche Trennung

An ihrer weltweiten Synode im September 2022 wird die Evangelisch-methodistische Kirche mit grösster Wahrscheinlichkeit erlauben, dass streng konservative methodistische Gemeinden eine eigene traditionelle Kirche gründen und mit ihrem Eigentum aus der EMK ausscheiden können. Zur Abstimmung steht der Vorschlag «Versöhnung und Gnade durch Trennung». Dieser sieht vor, dass eine neue traditionalistisch methodistische Kirche weiterhin gleichgeschlechtliche Ehen verbieten und Homosexuellen das Pfarramt verweigern wird, während die in der EMK verbleibenden Regionen im Umgang mit LGBTIQ-Personen flexibel sind. Die neue Kirche soll für den Aufbau 25 Millionen US-Dollar aus freien Mitteln des Kirchenvermögens erhalten und ihre örtlichen Kirchengüter behalten dürfen. Der Entscheid der Generalkonferenz wird auch Folgen haben für die methodistische Landschaft in Europa.

Auch die Methodisten in Frankreich ticken konservativ und haben einen möglichen Austritt angekündigt. Wieso?

Frankreich ist ein spezieller Fall. Das gesellschaftliche Umfeld dort ist zwar liberal in LGBTIQ-Fragen - die methodistische Kirche aber ist traditionell konservativ, wie die meisten Freikirchen im Land. Wir stehen auch hier im intensiven Gespräch. Zwar haben Verantwortliche in Frankreich signalisiert, dass sie sich bei einer Öffnung aus der Zentralkonferenz verabschieden werden. Es gibt aber auch Mitglieder, die sich einen anderen Umgang mit Homosexualität wünschen oder einfach daran glauben, dass man trotz Unterschieden verbunden bleiben kann.

Patrick Streiff, 66

Der promovierte Theologe ist seit 15 Jahren Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Mittel- und Südeuropa, in der 16 Länder, darunter auch die Schweiz, zu einer Zentralkonferenz zusammengeschlossen sind.

Wie denken Sie, wird Ihr Bischofsgebiet in zwei Jahren aussehen?

Klar ist: Unsere Zentralkonferenz wird sich nicht für einen konservativen Kurs entscheiden. Am Ende wird es wohl so sein, dass einige Länder sich deshalb von uns trennen. Ich hoffe aber fest, dass andere bleiben. Das setzt natürlich viel gegenseitigen Respekt voraus.

Eigentlich wollten Sie schon in den Ruhestand treten. Wann wird es so weit sein?

Da die Generalkonferenz nun erst im September 2022 stattfindet, bleibe ich vorerst im Amt. Wegen Corona wurde die weltweite Synode jetzt schon zum zweiten Mal verschoben. Danach erst kann die Tagung unserer Zentralkonferenz und die Wahl eines neuen Bischofs oder einer neuen Bischöfin stattfinden. Geplant ist das für November 2022.