Es ist viel los an diesem warmen Sommerabend in der Badener Altstadt. Leute flanieren durch die verwinkelten Gassen, plaudern in lauschigen Gartenbeizen.
Auf einer kleinen Holzbank vor dem Eckhaus zwischen der Oberen und der Unteren Halde sitzt eine etwa 30-jährige Frau, schwarzes Trägerkleid, blonde hochgesteckte Haare und auffällig violett geschminkte Augen. Neben ihr an die Wand gelehnt zieht ein älterer, erschöpft wirkender Mann an einer Zigarette. Altstadtgäste wie in der Beiz nebenan?
Nicht ganz: «Die zwei warten darauf, dass wir aufmachen», sagt Susi Horvath. Sie ist die Leiterin der Notschlafstelle an der Oberen Halde, die vom christlichen Sozialwerk Hope im Auftrag des Vereins Notschlafstelle betrieben wird. Sie geht auf sie zu und begrüsst sie herzlich mit ihrer rauen Stimme. Noch ist die Notschlafstelle nicht geöffnet, der Mann und die Frau müssen warten.
Erster Eindruck ist wichtig
Zurück im Haus prüft die 64-Jährige die fünf Mehrpersonen- und das Einzelzimmer. Alle 16 Betten sind mit frisch gewaschener weisser Bettwäsche bezogen. Jeder Mensch habe ein Recht auf ein sauberes Bett, ist Horvath überzeugt, ebenso auf einen würde- und respektvollen Kontakt auf Augenhöhe. Neben jedem Bett steht eine Plastikbox für die Habseligkeiten. Bilder hängen keine an den Wänden, auch nicht in den Gängen oder im Esszimmer – um die Verletzungsgefahr zu vermeiden, wenn jemand austickt.