«Verdienen religiöse Themen mehr Schutz und Respekt als andere?
Ich denke ja. Wer an Gott glaubt, ist in dieser Hinsicht besonders verletzlich. Deshalb würde ich mich nicht über religiöse Gefühle von Christen, Juden, Buddhisten oder Muslimen lustig machen. Ausserdem gibt es auch eine irritierende Diskrepanz: Witze über das Christentum, über Jesus oder den Papst sind etwas vom Langweiligsten, was es gibt. Warum? Weil viele gar nicht mehr gläubig sind und nichts dabei empfinden, wenn der Glauben dem Spott preisgegeben wird. Zugleich hat die Kirche fast alle Macht verloren. Man reisst mit anderen Worten Witze über einen Patienten. Ist das lustig? Alle klopfen sich fidel auf die Schenkel – wer es aber wagt, über Mohammed sich zu mokieren, geht enorme Risiken ein. Da verzichte ich lieber ganz auf religiöse Witze, als hier selektiv Hohn zu verteilen. Satire sollte sich grundsätzlich gegen die Mächtigen richten. Doch die katholische und die reformierte Kirche sind keine mächtigen Institutionen mehr, gegen die sich die Schwachen mit Witz erheben müssten.
Die Mohammed-Karikaturen im französischen Magazin «Charlie-Hebdo» hatten fatale Konsequenzen. Würden Sie solche Zeichnungen zulassen?
Das kann ich nicht generell beantworten. Es kommt immer auf den Kontext und auf die Aussage und Qualität der Zeichnung an. Aber wie gesagt: Grundsätzlich verzichte ich lieber auf religiöse Witze.
Der «Nebelspalter» galt in den letzten Jahren als gemässigtes linkes Blatt. Planen Sie eine Kursänderung?
Gemässigt links? Stimmt das überhaupt? Ich weiss es nicht. 1875 gegründet, war der «Nebi» so gut wie immer bürgerlich-liberal, mehr als ein Jahrhundert lang, und als er es einmal auf links versuchte, ging er fast ein. Das ist eine linke Mär, erzählt von linken Narren. Doch bestimmt wird sich einiges ändern, insbesondere möchten wir den «Nebelspalter» auch zu einer normalen News-Plattform umformen, wo also Satire neben seriösen Recherchen, Analysen und Kommentaren steht. Die Satire bleibt ein zentraler Bestandteil – das ist die DNA des «Nebelspalters» – aber wir ergänzen sie mit etwas vollkommen Neuem. Ausserdem schärfen wir das Profil. Wo ich stehe, ist bekannt: ich bin dezidiert bürgerlich, und das wird man auch im «Nebelspalter» spüren. Gleichzeitig bin ich ein Freund der Debatte und ein Verfechter des grenzenlosen Pluralismus. Es wäre ja auch grotesk: Wir möchten den Einheitsbrei, der in den meisten Medien vorherrscht, nicht mit einer Einheitsmeinung bekämpfen. Das wäre mir zu langweilig und intellektuell zu armselig, zumal gerade die Satire eine brutale Offenheit benötigt. Der Hofnarr lacht über den König und die Königin.
Sie als ehemaliger Linker und heute als «Liberal-Libertärer» treten gegen die Linken an?
Warum nicht? Ich stelle mich jeder Diskussion. Meine Erfahrung ist jedoch, dass die Linken leider das Gespräch oft verweigern. Vielleicht weil sie keine Argumente haben, womöglich auch weil sie es nicht nötig haben, da sie in den meisten Institutionen unseres Landes an der Macht sitzen. Das Potential für ein neues Medium, das sich rechts der Mitte positioniert, halte ich jedenfalls für beträchtlich.