Recherche 01. Dezember 2020, von Sandra Hohendahl-Tesch

Damit es im Pfuusbus trotz allem heimelig bleibt

Diakonie

Auch in der Notschlafstelle Pfuusbus auf dem Albisgüetli vom Sozialwerk Pfarrer Sieber müssen die Corona-Regeln eingehalten werden. Ein Besuch zeigt: Das geht erstaunlich gut.

Das Thermometer sinkt in manchen Nächten wieder unter den Gefrierpunkt. Deshalb ist es Zeit für den Pfuusbus. Bereits zum 19. Mal steht die originelle Notschlafstelle des Sozialwerks Pfarrer Sieber, ein ausgedienter Sattelschlepper, beim Albisgüetli Obdachlosen offen. Vor dem Eingang, der weihnachtlich geschmückt ist, sitzt rauchend ein Mann. Trotz des Nieselregens und der Kälte trägt er ein T-Shirt. Er singt ein Loblied auf seine Stadt: «Ich bin so stolz auf Zürich, wo findet man sonst so etwas Schönes.» Drinnen wärmen sich die ersten Gäste beim Abendessen auf. Nur vier Personen sitzen an ­einem Tisch, nicht dicht beisammen wie sonst. «Die Corona-Pandemie hat die Situation der Obdachlosen nochmals massiv verschlechtert», sagt Pfuusbus-Leiter Valentin Uberi. Zu Hause bleiben ist für sie ja nicht möglich. Angebote wie dieses seien jetzt existenziell wichtig.

Würdig und sicher schlafen

In der bisherigen Form konnte die Notschlafstelle freilich nicht betrieben werden – viel zu eng war es im Bus, und für Hygienemassnahmen fehlte die Infrastruktur. Während fünf Monaten hat Uberi mit seinem Team ein Schutzkonzept ausgeklügelt. Neu befinden sich die Betten in einem grossen Zelt, erstmals steht den Gästen eine Dusche zur Verfügung. Die Räume werden regelmässig desinfiziert. Mindestens 30 Obdachlose können jetzt beherbergt werden. Die Betten sind durch Plexiglasscheiben getrennt, wie Uberi demonstriert. «So können unsere Gäste würdig und sicher schlafen.» Der Pfuusbus ist jeweils ab 19 bis 9 Uhr geöffnet. Alle, die eintreten, müssen zuerst Fieber messen. Wer Symptome hat, wird in ein Isolierzimmer gebracht und medizinisch versorgt. Bis jetzt war das nicht nötig, doch die Saison ist noch jung. «Während des Lockdowns hatten wir zum Glück nur einen positiven Fall», sagt Uberi. Und das, obwohl es oft schwierig ist, die Hygiene durchzusetzen: «Gerade Drogensüchtige sind nicht sehr diszipliniert, da sie jede Pfeife untereinander austauschen.» Nicht auszudenken, wenn sich das Virus verbreiten würde. Viele seien auch ohne Corona gesundheitlich angeschlagen. «Auf der Gasse ist man sehr verletzlich.»

Nachfrage nach Seelsorge

Das Sozialwerk Pfarrer Sieber befürchtet, dass die Zahl der Obdachlosen in der Krise steigt. Die «sozia­le Grosswetterlage» spreche dafür, sagt Kommunikationsleiter Walter von Arburg. «Leute, die bereits in prekären Verhältnissen lebten, laufen Gefahr, Wohnung und Arbeit zu verlieren und auf der Gasse zu landen.» Man müsse auf alles gefasst sein und im Notfall zusätzliche Matratzen bereitstellen. Was schon feststeht: Die Krise hat grossen Einfluss auf die Psyche der Randständigen. Viele litten unter Depres­sionen. «Das explizite Nachfragen nach Seelsorge hat zugenommen.» Dies hat auch damit zu tun, dass viele Tagesstrukturen und mit so­ziale Kontakte wegbrechen. Im Gassencafé Sunnestube zum Beispiel dürfen sich nicht mehr so viele Leute gleichzeitig aufhalten. Dies führt laut von Arburg dazu, dass die Obdachlosen mehr zirkulierten. «Das Heimelig-Feeling muss sich zuerst wieder einstellen.» Genau hierfür steht der Pfuusbus: für ein bisschen Heimat. «Die Menschen sollen sich bei uns aufgehoben fühlen», sagt Leiter Uberi. Darum sind auch die Hunde der Gäste willkommen. «Wir sind die einzige Notschlafstelle im Kanton, die Vierbeiner akzeptiert.» Wie den struppigen Mischlingsrüden, der beim Tisch um die Beine streicht und auf einen kleinen Happen hofft.