Recherche 11. Januar 2024, von Sandra Hohendahl-Tesch

Das Ende der finanziellen Solidarität mit Solidara

Diakonie

Die Zürcher Landeskirche steigt aus der Finanzierung des Hilfswerks Solidara Zürich aus. Geschäftsleiterin Beatrice Bänninger ist angesichts der grossen Not besorgt.

Solidara Zürich, ehemals Stadtmission, engagiert sich für Menschen in schwierigen Lebenslagen: Randständige, Suchtabhängige, psychisch Kranke oder Sexarbeitende. Trotz der unbestritten wichtigen diakonischen Aufgaben streicht die Zürcher Landeskirche ihren jährlichen Beitrag von 33 000 Franken. Ausgeschlossen ist mit dem Entscheid auch die Bewilligung einmaliger Beiträge, die sich auf Einzelfallgesuche stützen. Der Beschluss fiel bereits im September und wurde jüngst in der Synode debattiert.

Der scheidende Kirchenrat Bernhard Egg sagt, dass der Schritt nicht leichtgefallen sei. Und als Vorsteher von Diakonie und Sozialem liege ihm Solidara Zürich besonders am Herzen. Das Hauptargument des Kirchenrats sei nicht fehlende Relevanz, sondern Verteilgerechtigkeit: Als Sozialwerk mit Schwerpunkt in der Stadt Zürich werde Solidara bereits von der Kirchengemeinde Zürich jährlich mit einer halben Million Franken unterstützt. «Da müssen wir als Kantonalkirche nicht auch noch zahlen.» Sonst könnten auch andere Anspruch auf eine solche Doppelfinanzierung erheben. Egg erwähnt etwa die Streetchurch.

Die Selbstständigkeit kostet

Die wiederkehrenden kirchlichen Beiträge kamen seit 2013 aus dem ehemaligen Aids-Fonds, der nun ausgeschöpft ist. Es sei immer klar gewesen, dass die Landeskirche nicht für die bisherige Trägerschaft, die Evangelische Gesellschaft Zürich, als Geldgeberin einspringen werde, erklärt Egg weiter. 750 000 Franken jährlich fielen damals mit der Verselbstständigung weg.

Beatrice Bänninger ist Geschäftsführerin von Solidara Zürich. Sie betont, dass die Not seither dramatisch zugenommen habe. «Wenn sich die Landeskirche nicht mehr um besonders vulnerable Leute wie Obdachlose kümmert, wer dann?» Solidara helfe Menschen in extremsten Lebenslagen, die nicht den Weg ins Kirchencafé fänden. Bänninger kann die Argumentation des Kirchenrats nicht nachvollziehen. Solidara Zürich sei mit der Anlaufstelle für Sexarbeitende Isla Victoria und der aufsuchenden Arbeit für den ganzen Kanton tätig. Die Arbeitsmigranten im Café Yucca kämen aus aller Welt. «Die Stadt Zürich und auch Solidara Zürich tragen eine enorme Zentrumslast.» Während der Stadt Zürich der Zentrumslastenausgleich aus dem Finanzausgleich des Kantons abgegolten werde, stelle der Kirchenrat jetzt jegliche kantonale Unterstützung ein. «Das leuchtet nicht ein.»

Support erhält Bänninger vom Synodalen Stefan Thurnherr (Liberale). Während Corona habe sich Solidara als systemrelevant erwiesen, sagte er in der Synode vom 21. November. Thurnherr versuchte mit einem Antrag, wenigstens einen einmaligen Beitrag für das kommende Jahr von 30 000 Franken zu sichern. Der Vorschlag scheiterte in der Abstimmung mit 45 zu 63 Stimmen.

Der Spardruck steigt

Im Budget 2023 weist Solidara ein Defizit von über 200 000 Franken aus. «Derzeit stehen 14 Vollzeitstellen sowie ein begrenzter Fundraising-Apparat vor der Herausforderung, all die sozialen Aufgaben zu bewältigen, die immer zahlreicher und komplexer werden», sagt Geschäftsführerin Bänninger. Immerhin sind die finanziellen Aussichten 2024 dank einem deutlich höheren Beitrag der Stadt Zürich und der neu regelmässigen Unterstützung durch die Katholische Kirche Kanton Zürich besser. Bänninger weist darauf hin, dass der Beschluss des Kirchenrats Solidara doppelt getroffen habe. Hätte der Kirchenrat das Gesuch bewilligt, wäre auch der Gemeinderat der Stadt Zürich bereit gewesen, mehr Geld zu sprechen. «Der Staat springt nicht einfach in die Bresche, wenn die Kirche nicht mehr zahlen will.»

Bernhard Egg beschönigt die Situation nicht. Was im negativen Entscheid auch mitschwinge, seien nun einmal die mittelfristig ungünstigen Finanzaussichten der Kirche: «Wir hatten stets gute Rechnungsabschlüsse, nun beginnt es wohl zu kippen.»

Ökumenisch aufgestellt

Gegründet wurde die Zürcher Stadtmission 1862 von der Evangelischen 
Gesellschaft Zürich. 2016 wurde das Werk unabhängig. Seit 2021 steht 
es unter der Trägerschaft der Christkatholischen Kirchgemeinde Zürich, 
Katholisch Stadt Zürich und der reformierten Kirchgemeinde Zürich und heisst Solidara Zürich. 2023 ist die israelitische Kultusgemeinde Zürich 
dem Verein beitreten. Zu 34 Prozent ist dieser auf Spenden angewiesen.