Recherche 25. Oktober 2017, von Katharina Kilchenmann

Der Talar – Modisches für die Kanzel

Pfarrmode

Für reformierte Pfarrpersonen gibt es keinen Dresscode. Wer sich für den Talar entscheidet, kann aus einer Vielfalt an Formen, Farben und Stoffen auswählen.

Er gilt als das Markenzeichen der Pfarrerinnen und Pfarrer in reformierten Kirchen: der schwarze Talar mit dem weissen Beffchen. Wer ihn trägt, tut dies freiwillig: Die Bernische Kirchenordnung gibt dem Talar zwar den Vorzug, besteht aber nur auf einer Kleidung, die «der Feier angemessen» ist. Auch hat die gottesdienstliche Gewandung der Reformierten, im Gegensatz zum priesterlichen Messgewand, keine liturgische Bedeutung, sie ist lediglich Amtstracht.

So nüchtern die Ausgangslage scheinen mag: Das Thema kann die Gemüter erhitzen. «Wer im Gottesdienst keinen Talar trägt, setzt ein starkes Zeichen. Schnell wird einem die Glaubensfrage gestellt», sagt Res Peter, Pfarrer am Neumünster in Zürich. Er selber hat sich erst nach einigen Berufsjahren für die Amtskleidung entschieden. Er liess sich von der Modedesignerin Christa de Carouge einen zweiteiligen Talar aus japanischer Kunstseide anfertigen und dazu eine Pluderhose. «Nach und nach merkte ich, wie praktisch das ist», schwärmt Peter. «Man muss nie überlegen, was man anziehen soll, und ich kann mit den Elementen spielen. Das gibt mir , bei aller Förmlichkeit, eine grosse Freiheit.»

Schlicht und schick. Christa der Carouge freute sich über den Auftrag. «Ich mache nicht Mode, ich mache Kleider für Menschen. Am liebsten für interessante Menschen wie Res Peter.» Carouge liess sich für den Talar von den Gewändern japanischer Zen-Mönche inspirieren. «Ein Pfarrer muss Ruhe ausstrahlen und würdevoll aussehen. In Jeans oder im Business-Anzug kann er das nicht.» Eine Kirche sei ein besonderer Ort, meint de Carouge, das müsse sich im Gewand widerspiegeln. Sie habe einen Schnitt gesucht, der auch Peters Haltung, Gestik und Ausstrahlung in seiner Funktion unterstreiche. «Ich finde, das ist gelungen.»

Auch Ruth Werthmüller, Pfarrerin in der Thomaskirche in Liebefeld, trägt einen Talar. Bei einer ihrer ersten Abdankungen, erinnert sie sich, sei sie als junge Frau kaum zum Grab durchgelassen worden, weil man sie nicht als Pfarrerin erkannt habe. «Kaum trug ich einen Talar, machte man dem Fräulein Platz», sagt sie lachend. Bei Frauen sei die Kleidung sowieso viel mehr Thema als bei männlichen Kollegen, betont Werthmüller. «Ein Talar macht vieles einfacher: Er schützt mich, macht mich erkennbar in meiner Funktion, und ich muss mich nicht rechtfertigen.» Zum weissen Kleid trägt sie eine bunte Stola. Die Farbe jeweils passend zum Ereignis im Kirchenjahr.

Bunt und exotisch. Bunt tritt auch Volker Niesel an besonderen Festtagen in seiner Kirche in Schangnau auf. Er liess sich ein Gewand in Indonesien nähen. «Meine Frau stammt aus Ost-Java, dort sah ich reformierte Pfarrkollegen in den herrlichen farbigen Kleidern. Das hat mich inspiriert.» Natürlich habe er vorher im Kirchgemeinderat gefragt, ob es Einwände gebe. Doch die Reaktionen, auch die aus der Gemeinde, seien alle sehr positiv. Das Markenzeichen der reformierten «Würdenträger» ist heute also von Vielfalt geprägt, was die Farben, Formen und Stoffe betrifft.

Nadja Heimlicher ist seit drei Jahren Pfarrerin, vorher arbeitete sie als Hôtellière im Gastgewerbe. «Damals trug ich immer eine Schürze, damit war meine Funktion klar. Jetzt trage ich einen Talar. So kann ich buchstäblich in die Rolle der Liturgin hineinschlüpfen und sie wieder ablegen.» Mit der Form ihres Mantels, die sich an den Gewändern orthodoxer Geistlicher orientiert, betone sie auch ihren priesterlichen Auftrag. «Im Gottesdienst will ich nicht nur predigen, sondern auch dem göttlichen Geheimnis Raum geben.»

Gewand der Gelehrten

Der schwarze Talar hat seinen Ursprung in den mittelaterlichen Universitäten. Die Akademische Amtskleidung für Professoren oder Richter setzte sich nach der Reformation auch bei Pfarrern durch. Um 1800 gab es ersteTalarverordnungen: Man trug einen offenen Mantel mit weissem grossem Kragen. Nach der Französischen Revolution wurde der Kragen durch die schlichtere Halsbinde ersetzt.

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