Recherche 11. Dezember 2023, von Bettina Hahnloser

Konrad Schmid: Ein Diener des Wortes

Reformationsgeschichte

Lange blieb sie vergessen, nun erscheint sie in einem Buch neu: die wegweisende Predigt von Konrad Schmid, Reformator der ersten Stunde, von 1522, als die Reformation durchbrach.

In den späten 1510er und den 1520er Jahren war die kirchliche Welt in Aufruhr: Im Oktober 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen zur Frage des Ablasses an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen, im Januar 1519 trat Ulrich Zwingli sein Amt als Leutpriester am Zürcher Gossmünster an. Und im selbigen Jahr wurde ein gewisser Konrad Schmid, geboren 1476 in einer wohlhabenden Küsnachter Bauernfamilie, zum Komptur, also zum Leiter und Verwalter der Ordensniederlassung in Küsnacht, gewählt. Zwingli sandte Schmid ein Buch mit evangelischen Glaubenssätzen. Der neue Komptur war begeistert – und die Saat des reformatorischen Gedankenguts begann zu keimen. Schmid sollte als einflussreicher Reformator in die Geschichte eingehen: Er trug und gestaltete die junge evangelische Lehre wesentlich mit.

Es war im März 1522, dem Jahr des Durchbruchs der Reformation, als Zürcher Bürger beim Buchdrucker Froschauer das Fastengebot brachen und gemeinsam und demonstrativ Würste assen. Mit dabei: Zwingli, der allerdings kein Fleisch ass. Dieses Wurstessen ging in die Geschichte ein – als Plädoyer für die Befreiung von religiöser Bevormundung. Mit dieser «Sünde» setzten sie sich einer Strafe aus. Und spalteten die Kirche.

Predigt vor 3000 Leuten

Nur 15 Tage nach diesem legendären Wurstessen fand in Luzern in Erinnerung an einen Stadtbrand die alljährliche Prozession auf die Musegg statt. Konrad Schmid war Gastprediger, über 3000 Menschen folgten seinen Worten. Und diese hatten es in sich: Der Mensch werde nicht um seiner Werke, sondern um des Glaubens willen selig. Der Papst sei weder der Statthalter Christi auf Erden noch das Haupt der Kirche. Seine Rede hielt er nicht in lateinischer Sprache, sondern in Deutsch – damit ihn alle verstünden.

Begeistert schrieb danach der Luzerner Myconius, Leiter der Hofschule in Luzern, an seinen Freund Zwingli: «Welch herrliche und christliche Predigt! Wenn Du gehört hättest, (…) wie er jenes kirchliche Haupt in Fleisch und Blut, den römischen Pontifex, niederzwang, hättest Du Dich selbst in einer so ernsthaften Sache des Lachens nicht enthalten können.» All dies habe er mit einer solchen Würde und Glaubwürdigkeit vorgetragen, »wie es nur einer gekonnt hätte, der ganz und gar erfüllt ist von Christi Geist.»

Mindestens zehn Punkte der Predigt sind noch heute für den reformierten Glauben relevant.
Beat Hänni, Mitherausgeber

Seine Gastpredigt trug Konrad Schmid aber auch die Feindschaft zweier Priester ein. Bei historischer Betrachtung ein Glücksfall: Denn um die Angriffe zu parieren, liess Schmid seine Predigtflugschrift drucken. So konnte er seine Worte den Zeugen seiner Predigt nachträglich in Erinnerung rufen und seine Argumente vertiefen. Die Lesenden sollten selber entscheiden, ob er ketzerisch oder christlich gepredigt habe.

Älteste gedruckte Predigt

Diese Schrift aus dem Jahr 1522 ist die älteste gedruckte Predigt eines Zürcher Reformators, die erhalten ist. Nun wird sie in einem Buch wieder zugänglich gemacht. Damals sei die Predigt stark beachtet worden, sagt Mitherausgeber Beat Hänni, ehemaliger Pfarrer und Seelsorger in der Kirchgemeinde Luzern.

Danach geriet sie in Vergessenheit – obwohl sie die Zürcher Reformation mitgeprägt habe: «Mindestens zehn Punkte der Predigt sind noch heute für den reformierten Glauben relevant.» Die Idee hinter dem Buch sei es, «den lebendigen, faszinierenden Text» nicht nur inhaltlich vorzustellen, sondern aus heutigem theologischem Blickwinkel zu beleuchten und die Umstände zu skizzieren, unter denen Konrad Schmid ihn verfasst hatte.

Zum Buch

«Wenn Gott durch die Finger blinzelt», Herausgeber: Beat Hänni und Ruth Jörg. 2024, Verlag TVZ, 135 Seiten

Vernissage: Lukaskirche Luzern, Sonntag, 21. Januar 2024, 10 Uhr. Mit Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, und Walter Sigi Arnold, Schauspieler, Luzern

Das Werk mit dem Titel «Wenn Gott durch die Finger blinzelt» beinhaltet eine faksimileähnliche Reproduktion der Flugschrift «Antwurt» mit der Museggpredigt von Konrad Schmid, begleitet von einer Transkription und der erstmaligen Übertragung in heutiges Deutsch, die von Dr. Ruth Jörg bearbeitet wurden.

Exkurse beleuchten die Lokalgeschichte Luzerns und die Frage, warum sich dort die Reformation nicht durchsetzen konnte, sowie das damalige Druckereiwesen. Dieses junge Metier hatte es erst ermöglicht, die Schriften der Reformatoren zu verbreiten. Im Zentrum stand Christoph Froschauer, glühender Anhänger des reformatorischen Gedankenguts, in dessen Druckerei die reformatorischen Schriften vervielfältigt wurden.

Konrad Schmid blieben nach seinem wegweisenden Auftritt 1522 in Luzern nur noch neun Jahre zu leben, ebenso wie seinem Freund Zwingli. Das Verhältnis zwischen dem reformierten Zürich und den beim alten Glauben verbliebenen Orten der Innerschweiz hatte sich in den späten 1520er Jahren verschlechtert. Es folgten die beiden Kappeler Kriege. In der Schlacht von 1531 verloren 500 Zürcher ihr Leben – darunter die Feldprediger Zwingli und Schmid.