Wer durch einen Friedhof schlendert, sieht sie. Wer in einem Pilgershop stöbert, sieht sie. Wer die Häuser von älteren Menschen aufsucht, sieht sie. Sie sind gut 500-jährig und immer noch allgegenwärtig, in Holz, Metall, Wachs, auf Papier, Karton, Plastik und, als Tattoo-Motiv, sogar auf Menschenhaut: die «Betenden Hände» von Albrecht Dürer (1471–1528), einem der grössten Renaissance-Künstler nördlich der Alpen.
In diesen schön geformten, schlanken, andächtig aneinandergelegten Händen, fast engelsgleich aus dem Nichts kommend und – zumindest im Original – von einer meditativen blauen Fläche umgeben, zeigen sich die ganze Intimität, Innigkeit und Mystik des Betens, der Zwiesprache mit Gott.
Auf Andy Warhols Grab
Was hat es mit dieser meisterlich gefertigten, fein schraffierten und weiss gehöhten Zeichnung auf sich? Zunächst einmal ist festzuhalten: Bei diesem Geniestreich handelt es sich nicht um ein fertiges Werk, sondern um eine Studie. Dürer fertigte sie im Zuge der Vorarbeiten an einem Altarbild an, das der Frankfurter Patrizier Joseph Heller 1507 bei ihm bestellt hatte.