Dringend benötigte Hilfe für die Seele

Flüchtlinge

Das seelische Leid von Geflüchteten ist gross, doch es gibt nicht genügend professionelle Hilfe. Aargauer Psychologen springen gratis ein.

Wenn Reza (Namen geändert) spürt, dass sich unter seinen Füssen das Loch auftut, geht er an die Aare joggen. Der siebzehnjährige Afghane erlebte vor zwei Jahren, wie ein Bombenanschlag Menschen zerfetzte. Die Bilder holten ihn ständig ein, nach seiner Flucht in die Schweiz drohten sie ihn seelisch ganz zu lähmen. Dank eines aufmerksamen Unterkunftsbetreuers gelangte er im Februar in die Praxis von Sara Michalik, Psychotherapeutin in Aarau. Etwa alle zwei Wochen geht er seither zu ihr und wird im Gespräch von einer Dolmetscherin unterstützt. Er sagt: «Mir geht es viel besser. Ich lernte, wie ich mit den schlimmen Bildern und der Trauer umgehen kann. Auch Probleme im Alltag kann ich besser bewältigen. Ohne Frau Michalik hätte ich das nicht geschafft.»

Gratisberatung. Viele Flüchtlinge kämpfen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und chronischen Schmerzen. Die Perspektiv­losigkeit und monatelanges Warten in Asylunterkünften verstärken die Probleme. Doch Hilfe bekommt nur eine Minderheit. Psychiatrische Behandlungen bezahlt zwar die Krankenkasse, nicht aber die interkulturellen Dolmetscher. Die Wartelisten sind lang. Spezialisierte Thera­peuten gibt es kaum. Und Psychotherapie, die Krankenkassen nicht vergüten, kann sich kein Flüchtling leisten.

«Der Bedarf an Unterstützung wird bei Weitem nicht gedeckt», sagt Balz Bruder, Sprecher des Departements Soziales und Gesundheit. «Doch wir können das Personal nicht aus dem Hut zaubern.» Der Kanton versuche, sich mit professionellen und freiwilligen Partnern zu vernetzen, um die dringendsten Fälle aufzufangen und Menschen im Alltag zu stärken. «Es ist auch aus diesem Grund wichtig, dass die Leute möglichst schnell integriert werden und ein soziales Netz aufbauen können.»

Platzmangel. Um die Not zu lindern, gründete der Verband Aargauer Psychologinnen und Psychologen im März das Netzwerk Psy4Asyl. Fünfzehn Psychotherapeuten behandeln unentgeltlich Flüchtlinge, vor allem unbegleitete Minderjährige, da der Kanton für diese die Übersetzer zahlt. «Der Bedarf ist sehr gross», sagt Michalik, die dem Verband vorsteht und zurzeit zwölf Klienten einzeln oder in einer Gruppe begleitet. Wie die Kolleginnen sprang sie ins kalte Wasser. Sie sagt: «Normalerweise kann ich einen Jugendlichen nach seinen Hobbys, Freunden und Beziehungen fragen um rauszufinden, welche Ressourcen wir stärken können. Ein Flüchtling hat all das in der Regel nicht. Das ist eine zusätzliche Herausforderung für uns.»

Die Arbeit ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Verband hofft, dass der Kanton Strukturen aufbaut, damit mehr Menschen geholfen werden kann. Ein Ziel ist es, das Angebot auf Erwachsene auszuweiten. Geplant ist auch ein Gespräch mit der reformierten Landeskirche, um eine allfällige Unterstützung zu besprechen.

Aktionstag in Suhr

Im Pfarreizentrum Suhr finden im Rahmen der Aktionstage Pschychische Gesundheit am 19. November unter dem Titel «Geflüchtet und in der Schweiz angekommen» eine Ausstellung, Theater und Tanz unter Beteiligung geflüchteter und einheimischer Menschen statt. Es gibt auch ein Kinderprogramm. 14–18.30 Uhr.

www.vap-psychologie.ch