Recherche 25. August 2022, von Anouk Holthuizen

Frank Worbs klopft den Staub von der Kirche ab

Porträt

Mit Frank Worbs’ Pensionierung tritt ein Urgestein des Kirchenmarketings ab. Der Leiter Kommunikation der Reformierten Kirche Aargau prägte deren Auftritt in der Öffentlichkeit.

Eine Klangschale, Marienstatuen und ein Pokémon aus Plüsch: Frank Worbs’ Büro im Verwaltungsgebäude der reformierten Landeskirche in Aarau verrät so manches über den Leiter Kommunikation. Die Klangschale nimmt er gern mit in den Andachtsraum, um zu meditieren. Die vielen Marienstatuen sollen die «reformierte Strenge meines Arbeitsumfelds herausfordern». Das grüne Dinosaurierwesen aus dem Handyspiel «Pokémon Go» steht als Symbol für zweierlei: seine Faszination für Digitales und für Spiritualität.  

In «Pokémon Go» ist der aktuelle Aufenthaltsort des Spielers mit einem virtuellen Raum verbunden. «Das ist wie Religion», sagt Worbs.  «Ich sehe hinter der sichtbaren Realität etwas, was andere nicht sehen.» Noch immer schaut er ab und zu, wenn er unterwegs ist, auf dem Handy nach, ob es gerade ein neues Pokémon zu fangen gibt. 

Ende September dieses Jahres wird Frank Worbs sein Büro nach 24 Jahren räumen. Er sagt: «Vor einem Jahr freute ich mich riesig auf die Pensionierung. Aber jetzt überwiegen gemischte Gefühle. Von heut auf morgen wird mich niemand mehr nach meinen Kompetenzen fragen.» Der grosse Mann zuckt mit den Achseln, seine blauen Augen blicken ernst. «Ich werde lernen müssen, damit umzugehen.»

Viel beachtete Kampagnen 
1996 bat die Aargauer Landeskirche ihn, damals Pfarrer in Teufenthal und Journalist beim «Kirchenboten», ein Informationskonzept mit einer passenden Kommunikationsstelle zu schreiben. Die Kirche wollte häufiger in der Zeitung vorkommen. Worbs tat dies und bewarb sich gleich selbst für den Job.  

Seither sorgte er dafür, dass die Medien nicht nur bei einem Skandal über die Kirche berichteten. Er schüttelte massgeblich den Staub vom Image der Kirche, indem er zahlreiche multimediale Kampagnen mit entwickelte, von denen einige viel Aufmerksamkeit generierten – etwa das «Kirchenglücksspiel», das für die Angebote der Kirche warb, mit 600 000 Rubbellosen. 

«Immer wenn es um Öffentlichkeitsarbeit ging, hiess es: Ruf Frank an», sagt Pascale Huber, Geschäftsführerin der Reformierten Medien. «Die reformierte Kirche verdankt ihm das Verständnis für gutes Marketing.» Sie sei mit Worbs nicht immer einer Meinung gewesen, doch er sei stets ein transparenter, wichtiger Gesprächspartner geblieben.

Politisch mitreden gehört zur Glaubwürdigkeit
Auch Nicolas Mori, Kommunikationsleiter der Zürcher Landeskirche und langer Weggefährte von Worbs, findet: «Frank gestaltete die kirchliche Kommunikation in der Schweiz prägend mit.» Besonders ausgezeichnet hätten ihn sein Gespür für die Wirkung politischer Kommunikation und sein Denken in grossen Zusammenhängen. 

Das Einmischen der Kirche bei polarisierenden Themen wie Flüchtlingspolitik war für Worbs stets eine Knacknuss. Er ist einerseits überzeugt: «Die Kirche sagt, dass Gott diese Welt geschaffen hat und sie liebt. Deshalb muss sie sich auch zur Menschenwürde im Sinne der Botschaft Jesu äussern.» Sein Marketingherz allerdings wisse: «Die Leute freuen sich viermal, wenn wir sie in ihrer Haltung bestärken. Sind wir beim fünften Mal anderer Meinung, treten sie aus.» Dennoch ist Worbs sicher: «Die Kirche muss politisch mitreden, das gehört einfach zu ihrer Glaubwürdigkeit.»  

Er zerbrach sich oft den Kopf darüber, was die Kirche wie kommunizieren muss. Der Marketingspezialist sagt: «Die Kirche bietet grundsätzlich drei Produkte an: spirituell-religiöse Erlebnisse, Orte für Spiritualität und Gemeinschaft und die Unterstützung von Menschen in schwierigen Zeiten. Das zu bewerben, ist ganz schön kompliziert, denn Spiritualität ist ganz individuell.» Eine Organisation könne diese nicht einfach vermitteln. 

Marketing ist Beziehungspflege
Die PR der Kirche hat sich unter dem Einfluss von Frank Worbs stark verändert: vom einstigen Auftrag, die Kirche in die Medien zu bringen, hin zur Pflege der Beziehung zu den Mitgliedern. Worbs erklärt: «Die meisten Mitglieder tauchen nach der Konfirmation oder Beerdigung eines Angehörigen nicht mehr in der Kirche auf. Also müssen wir die Kontakte aufrechterhalten, wie eine Autofirma, die sich über Jahre regelmässig bei den Käufern ihrer Autos meldet.» Die letzte Kampagne, die er verantwortete, hiess denn auch «Lebenslang Mitglied bleiben». 

Worbs war eine Epoche 
Mit Worbs’ Abschied gehe eine Epoche zu Ende, sagt Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg. «Frank war unser personifiziertes institutionelles Gedächtnis. Ein zuverlässiger, empathischer und sehr treffsicherer Berater.» 

Für die Zeit nach der Pensionierung hat der 65-Jährige bewusst keine konkreten Pläne gemacht. «Ich möchte lernen, auf die innere Stimme zu hören, die sagt, was für mich in diesem Leben noch wichtig ist. Jetzt werde ich eine wichtige Rolle verlieren und mich neu entdecken müssen.» 

Hier gehts zum ausführlichen Interview mit Frank Worbs.