Recherche 17. Februar 2023, von Marius Schären

«Da bleibt noch viel Raum für den Glauben»

Wissenschaft

Andreas Losch ist Pfarrer und arbeitete am Weltraumforschungsinstitut in Bern. Kein Widerspruch für ihn, sondern eine Bereicherung, wie er auch in einer Vortragsreihe darlegt.

Was würde die Entdeckung von Leben jenseits unseres Planeten für den christlichen Glauben bedeuten?

Andreas Losch: Eine solche Entdeckung würde vor allem die Grösse Gottes noch deutlicher machen.

Wie meinen Sie das?

Es würde zeigen, dass diese Grösse jenseits unserer Vorstellungswelt ist. Je mehr Leben es gibt, umso mehr gereicht es Gott zu Ehren, das ist schon eine sehr alte Vorstellung.

Sie bezeichnen sich selbst auf Ihrer Website als Theologe, der im Gespräch mit der Wissenschaft ist. Was meinen Sie damit?

Ich versuche von den Naturwissenschaften zu lernen und frage, was die Theologie umgekehrt beitragen kann. Ein positives Beispiel ist hier die Urknall-Theorie. Als deren Begründer gilt der belgische Priester und Astrophysiker Georges Lemaître. Das Faszinierende daran: Er hatte die Idee aus der Bibel. Aber er publizierte sie erst, als das Ganze auch wissenschaftlich abgesichert war.

Andreas Losch

Andreas Losch

Der deutsche Theologe (51) hat sich auf das Gespräch mit Naturwissenschaften und Philosophie spezialisiert. Seine Dissertation «Jenseits der Konflikte» (Göttingen 2011) wurde mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem war er Koordinator des Projekts «Life beyond our planet?» am Weltraumforschungszentrum (Center for Space and Habitability CSH) der Universität Bern und forschte zu einer «Ethik der Planetaren Nachhaltigkeit». Er ist unter anderem Chefredakteur der Themenseite www.theologie-naturwissenschaft.info und seit November Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Heimberg bei Thun (BE).

Wie kam er von der Bibel her zur Urknalltheorie? 

Der Urknall bedeutet ja: Es gibt einen Anfang von allem. Und genau das haben wir am Anfang der Bibel, wo es heisst, «am Anfang schuf Gott Himmel und Erde». Dass es eine Schöpfung gibt, ist wissenschaftlich ja nicht beweisbar – aber dass es einen Anfang gibt.

Und wie kamen Sie dazu, sich so intensiv mit Wissenschaftsgeschichte, Naturwissenschaften allgemein und Astronomie bzw. dem Weltraum im Speziellen zu beschäftigen?

Meine Eltern waren beide Lehrende für Mathematik und Physik. So wurde es mir praktisch in die Wiege gelegt. Auch Freunde sind viele Naturwissenschaftler. Und als am Zentrum für Weltraumforschung der Uni Bern ein Theologe gesucht wurde, war das wie zugeschnitten auf mich.

Was haben Sie dort mit dem interdisziplinären Team zusammen gemacht?

Die grundsätzliche Frage war: Was passiert, wenn wir ausserhalb der Erde Leben finden? Die damalige Direktorin des Zentrums, die Astrophysikerin Kathrin Altwegg, war interessiert daran, diese Frage nicht nur naturwissenschaftlich zu ergründen. So kamen neben mir als Theologen auch noch eine Philosophin und eine Literaturwissenschaftlerin hinzu. Auch die Frage, was Leben überhaupt ist, diskutierten wir, unter anderem an einer Tagung.

Die Vortragsreihe «Mehr als Sternenstaub»

In der Vortragsreihe der Schweizerischen Bibelgesellschaft referiert der Theologe Andreas Losch im Anschluss an einen Vortrag der Astrophysik-Professorin Kathrin Altwegg zum Thema «Die Suche nach Leben jenseits unseres Planeten».

Der Vortrag findet statt am 23. Februar von 19.30 bis 21.30 Uhr in der Aula der Universität Zürich (KOL-G-201) im Zentrum Rämistrasse 71.

Zur Website der Vortragsreihe «Mehr als Sternenstaub? Abende über Wissenschaft, Kultur und Religion».

Welche Fragen wurden sonst noch erörtert?

Eine weitere war eben die Eingangsfrage, wie die christliche Theologie damit umgehen würde, wenn weiteres Leben entdeckt würde – was übrigens schon vor Jahrhunderten ein Thema war. Oder bei den Naturwissenschaftlern gab es teils heisse Diskussionen, ob man beispielsweise Leben auf den Mars bringen dürfte.

Eine interessante Umkehrung. Dürfen wir das?

Meines Erachtens, sofern es kein Leben bereits dort gibt: ja. Aber wir sollten sehr vorsichtig sein. Trotzdem erachte ich es auch als Aufgabe von uns Menschen, weitere mögliche Lebensorte zu erforschen und entdecken. In rund vier Milliarden Jahre wird die Erde verglühen. Wo könnten wir dann sein? Zu solchen Fragen habe ich an einer Ethik der planetaren Nachhaltigkeit gearbeitet.

Und welche Einsichten haben Sie von diesen drei Jahren mitgenommen?

Jede Menge! Eine Erkenntnis, die ich vorher schon hatte, bestätigte sich: Zwischen der Naturwissenschaft und der Theologie braucht es die Brücke der Philosophie, um gut diskutieren zu können. Eine weitere war, dass die Naturwissenschaft selbst keine Ethik hat. Aber es ist wichtig, dass auch Naturwissenschaftler ethische Prinzipien beachten. Und schliesslich wurde mir überraschend klar, dass sie den ethischen und auch religiösen Fragen ganz und gar nicht so prinzipiell ablehnend gegenüberstehen, wie es in der öffentlichen Vorstellung oft angenommen wird. In einer groben Einschätzung haben von den Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ungefähr ein Drittel einen Konflikt mit solchen Fragen, ein Drittel ist ihnen gegenüber positiv eingestellt und ein Drittel mehr oder weniger meinungsoffen.

Warum denken wir denn meist, Naturwissenschaftlerinnen und Theologen seien einander von Grund auf spinnefeind? 

Das könnte an den extremen Gruppen liegen, die halt laut sind und so Gehör erhalten. Die sehr religiösen einerseits und die völlig antireligiösen andererseits. Doch dazwischen gibt es sehr viele nunaciert denkende Menschen, mehr, als es manchmal scheint.

Die Geschichte zeigt auch: Der christliche Glauben ist durchaus weltgewandt.

Welche Erkenntnisse brachten Sie auch mal zum Zweifeln am eigenen Glauben?

Keine so tief, dass ich den Glauben verloren hätte. Vielmehr würde ich den Weg der Offenheit allen empfehlen, also all seinen Fragen nachzugehen. Sich abzuschotten, bringt meines Erachtens nichts. Die Wissenschaft beschreibt ja grundsätzlich nur, was ist und auch nachgewiesen werden kann. Dann bleibt noch viel Raum für den Glauben. So war beispielsweise auch Darwin Theologe, die Diskussion um Naturwissenschaften und Theologie ist nichts Neues. Die Geschichte zeigt damit auch: Der christliche Glauben ist durchaus weltgewandt.

In der TV-Sendung Einstein sagen Sie beim Blick durch ein Teleskop auf die nächste Galaxie: Das sei eigentlich schon zu gross, um zu denken: Das ist Wahnsinn. Wie betten Sie sowas in Ihren Glauben ein? 

Dieser Blick hat mir eben auch gezeigt, wie sehr begrenzt unser Vorstellungsvermögen ist. Und dass jenseits davon noch sehr viel Platz ist für Gott.

Aus diesen Weiten des Alls und der Seinsfragen sind sie auf den kommunalen Boden zurückgekehrt als Pfarrer in Heimberg, mit den Schwerpunkten Senioren- und Erwachsenenarbeit und kirchlicher Unterricht. Warum?

Die Stelle an der Uni war zeitlich begrenzt – und die Strukturen da sind nach wie vor nicht ausgelegt für interdisziplinäre Vorhaben. Dazu braucht es auch beherzte Leute wie Kathrin Altwegg. Für mich entschied ich dann, dass ich am meisten Wissen weitergeben kann, wenn ich mit Menschen jeden Alters arbeite, wie eben an einer Pfarrstelle. Und da kam gerade recht, dass die Kirchgemeinde in Heimberg speziell offen war für jemandem mit einem Hintergrund, wie ich ihn mitbringe.