Zeitweise war Prostitution ganz verboten während der Pandemie. Wie haben sich die Sexarbeitenden über Wasser gehalten?
Im harten Lockdown hat man sich mehrheitlich an das Verbot gehalten. Es gab auch Unterstützung der öffentlichen Hand. Wir haben bei der Auszahlung geholfen, insgesamt einen sechsstelligen Betrag ausgezahlt. Schwieriger wurde es später, als es kein Verbot mehr gab, dafür aber Maskenpflicht und weitgehende Einschränkungen im Gastgewerbe. In Zürich war das Erotikbusiness ab Herbst 2020 besonders strengen Kontrollpflichten unterlegen. Die Sexarbeitenden mussten von den Freiern die Ausweise kontrollieren. Das war ein faktisches Verbot, denn das Gewerbe lebt eben von der Anonymität. Und ehrlich gesagt, hatte man schon den Eindruck, hier wird unter dem Deckmantel der Pandemie eine Politik betrieben zur Eindämmung der Prostitution, die man ohnehin gerne eingedämmt sehen will.
Zeigt die Pandemie noch Wirkung?
Die Nachfrage ist niedriger als vorher. Gerade ältere Männer haben ziemlich Respekt vor Corona. Gleichzeitig kommt eine grösssere Anzahl von Frauen in die Schweiz, um hier zu arbeiten. Während der Pandemie haben die Sexarbeitenden teils hohe Schulden angehäuft, die sie nun nicht abzahlen können.
Aus der Ukraine flüchten viele Frauen in die Schweiz, sie stehen an kostenlosen Essensabgaben Schlange. Sehen Sie Anzeichen, dass Ukrainerinnen vermehrt ins Sexgewerbe einsteigen?
Wir sind diesbezüglich besorgt und sehr wachsam. Auch wenn wir für medizinische Beratungen in Salons gehen, halten wir Augen und Ohren offen. Wir sind mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit diesbezüglich in Kontakt. Aber bislang gingen keine Bewilligungsgesuche für selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit im Erotikgewerbe ein.
Die wirtschaftliche Basishilfe der Stadt Zürich sollte auch Ihrem Klientel über die Pandemie hinweg helfen. Im Februar scheiterte sie, weil eine Frist nicht eingehalten wurde. Wie sehr trifft Sie das?
Im Verlauf des Pilotprojekts zeigte sich, dass unsere Zielgruppe ohnehin sehr wenig profitiert. Die Bedingungen waren sehr streng, etwa die Aufenthaltsdauer in der Schweiz und der Stadt Zürich. Auch leben viele Sexarbeitende finanziell knapp über dem Limit, das zum Bezug berechtigte. Als entscheidender erwies sich für die Selbstständigen die Corona-Erwerbsentschädigung. Auch der Corona-Batzen der reformierten Kirche Stadt Zürich war für einige ein grosser Lichtblick.
Hoffen Sie noch auf die Basishilfe, vielleicht mit anderen Kriterien?
Das Thema ist im Gemeinderat noch nicht vom Tisch, die linke Ratsseite hat ja einen neuen Vorstoss gemacht. Für unsere Zielgruppe wären aber Änderungen bei den Bezugskriterien entscheidend.
Forderungen nach einem Verbot der Prostitution werden immer mal wieder laut. Sie lehnen das ab. Warum?
Prostitution ist – egal ob erlaubt oder verboten – eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Realität und zwar weltweit. Zwar gibt es immer wieder Menschen, die aussteigen wollen, aber dann kommen auch gleich neue nach.