Spielstand 5:0. Noch eine Viertelstunde zu spielen. Abgeschlagen liegt das Berner Team FC Weltreligionen im Stadion Letzigrund gegen den FC Religionen aus Zürich zurück. Aber die Männer und Frauen mit Kreuz, Halbmond, Davidstern und die Embleme der Buddhisten und Hindus auf dem Tenue, besitzen etwas, was manchen Profikickern abgeht: Sie sind überzeugt, dass der Glaube Berge versetzen kann und aus Fussballzwergen Riesen erwachsen können. So ruft Trainer Mirco Bernasconi in der Trinkpause den abgekämpften Spielerinnen und Spielern zu: «Wir werden gewinnen.» Immerhin machen die Berner in den letzten fünfzehn Minuten noch zwei Tore im Hitzekessel des Letzigrund, dessen rote Sitzschalen von der Abendsonne beschienen zu glühen scheinen.
Mit Bällen Brücken bauen. Religion und Fussball ist das Bindeglied, das die beiden Teams gemeinsam haben. Mit Fussball den interreligiösen Brückenschlag wagen, verschiedene Kulturen zusammenzuführen und nicht nur über das Verbindende des Glaubens zu sprechen, sondern mit Muskelkraft und Beinen Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen, das sei das Credo des FC Religionen. So erläutert dies der Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist mit schnellem Zungenschlag am Spielfeldrand. Zeit zum Reden hat er. Nach einem glänzenden Sololauf mit unpräzisem Abschluss hat er sich eine Zerrung geholt. Selbstironisch bemerkt er: «Wenn ich so schnell laufen könnte, wie ich schwätzen kann, würden wir 10:0 führen.»Sigrist ist, wenn derzeit auch nicht auf dem Feld, so doch für die FC Religionen insgesamt eine Schlüsselfigur. Als er 2008 zum Beauftragten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) für die Fussball-EM wurde, gründete er nicht nur den FC Religionen. Bei dem internationalen Sportanlass öffneten sich ihm die Türen zur Sportwelt. Ein Beziehungsnetz, das bis heute hält.
Handy als Minarett. Für die geschlagenen Berner ist dies ein Glück: Noch nie hatten sie in so edel eingerichteten Duschräumen ihre Niederlage abspülen können. Und die VIP-Lounge mit der Glasfront zum Stadion-Innenraum hin gefällt ebenso. Nach dem Hitzematch sind die Gläser mit Mineral oder Bier gefüllt. Stimmenwirrwarr erfüllt das Restaurant. An den Tischen wird nochmals das schweisstreibende Spiel analysiert. Den Berner kam ausgerechnet die Religion in die Quere. Ihr Mittelfeldstratege Sadak war als Muslim durch das Ramadan-Fasten etwas müde. Aber auch der Zürcher Coach Giovanni Gargiulo - immerhin mit Trainerpatent ausgestattet -, konnte seinen sonst zupackenden Verteidiger nur kurz einsetzen. Muris Begovic hatte seit der Morgendämmerung keinen Schluck Wasser, keinen Biss Essen zu sich genommen. Sehnsüchtig schaut der Imam von Schlieren auf sein Iphone. Die Zeit läuft. Noch 2 Minuten und 30 Sekunden bis zum Fastenbrechen. «Das Handy ist wie ein Minarett» sagt er schmunzelnd.
Hartgesottene und Nationalräte. Einen Teller Pasta vor sich erzählt der Berner Mannschaftsführer Daniel Krebs, was den Ausschlag gab, mit dem Ball den interreligiösen Dialog anzuschieben. Der Teamleiter der Sozialdiakonie der Reformierten Kirchgemeinde im multikulturellen Quartier Bümpliz sagt: «Die Minarettabstimmung brachte es an den Tag: Zwischen den Migranten und Schweizer Bewohner klafft ein Graben.» Mit dem Ballspiel sollte deshalb der Dialog gefördert werden. Nun mischt sich der Jugendarbeiter Simon Brechbühler der reformierten Kirchgemeinde Bümpliz ein. Er erzählt wie das Vorspiel des Matches mit dem FC Nationalrat von einer Jugendauswahl aus dem Quartier bestritten wurde. «Hartgesottene Burschen», sagt er. Nach dem Spiel mischte sich das Jugendteam unter die Nationalräte. «Die Jugendlichen standen plötzlich im Rampenlicht. Das sind ganz wertvolle Erfahrungen», so der Jugendarbeiter.
Professoren-Transfer. Mit dem Stichwort FC Nationalrat ist bereits eines thematisiert: Die beiden religiösen Freizeitkicker-Teams suchen sich ganz spezielle Gegner für ihre Duelle aus. Erst vor zwei Wochen spielten die Berner gegen die fussballbegeisterte Literatenriege FC Schriftsteller. Die Poeten siegten. Und der Zürcher FC Religionen ist bereits gegen Nationalrat, Gemeinderat wie gegen eine Auswahl der FIFA-Mitarbeitenden angetreten. Oder gegen das Gefangenenteam von FC Pöschwies. Und wie bei den Grossen gibt es bei den religiösen Sportlern auch Transfers. «Wir haben den Judaistikprofessor René Bloch von den Zürchern abgeworben» , sagt Daniel Krebs. Nicht unähnlich den Profi-Clubs wird über die Ablösesumme Stilschweigen bewahrt.