Recherche 21. April 2016, von Matthias Böhni

Die Religion spielt mit

Fussball

Der FC Religionen betont das Verbindende über Glaubensgrenzen hinweg. Die Juden, Christen und Muslime wecken die integrative Kraft, die im Fussball steckt.

Nicht nur die Mannschaften der NZZ und der Religionen spielten mit, sondern auch das Wetter. Am Mittwochabend herrschten beim Stadion Letzigrund in Zürich mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ideale Bedingungen, und auch der Rasen war in ausgezeichnetem Zustand.

Katholische Absenzen. Der FC Religionen war interreligiös gut aufgestellt, allerdings mit leicht reformiertem Übergewicht. Vier Imame reisten von Luzern, Basel und Flums an, einer hatte den nahen Weg aus Schlieren. Zwei der drei jüdischen und acht reformierten Spieler (darunter vier Pfarrer) stammten aus der Region Zürich. Judaistik-Professor und Flügelstürmer René Bloch lehrt an der Universität Bern. Ökumenisch kann der FC noch zulegen, denn Katholiken, Christkatholiken oder Freikirchen fehlten. Der eigentliche Mittelfeldregisseur Damian Pfammatter, katholischer Jugendseelsorger im Oberwallis mit Vergangenheit beim damaligen B-Ligisten FC Naters, musste diesmal absagen. Auch Stammpriester Fulvio Gamba fehlte aus Termingründen.
Bei der NZZ waren Spieler aus allen Ressorts und Abteilungen vertreten, sogar jemand aus der «Kündigungs-Rückgewinnungsabteilung». Und gerade er, wie sich später zeigte, stellte die Verteidigung des FC Religionen ziemlich auf die Probe.

Die verwirrende Sieben. Traditionsgemäss trugen alle Spieler des FC Religionen die Nummer 7 auf dem Trikot, was zu Fragen bei den geschätzten fünf Zuschauerinnen führte. Inoffiziell sei diese Numerierung zur Verwirrung des Gegners und des Schiedsrichters eingeführt worden, wurde gemunkelt. Offiziell gilt die 7 als perfekte Zahl für das Spiel des FC Religionen: Sie hat in allen Religionen eine Bedeutung und steht damit für das Verbindende über Glaubensgrenzen hinweg.
Kurz nach Anpfiff stand es nämlich bereits 1:0 für den FC Religionen, Torschütze war der wirblige Benny Epstein. Dann allerdings zeigte die NZZ, dass sie nicht nur Presse kennt, sondern auch Pressing. Jedenfalls setzte sie die mehrheitlich reformierte Abwehr mit präzisen Pässen in den Strafraum unter Druck. Zur Pause stand es 2:1 für die souverän aufspielende NZZ.
Captain und Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist freute sich sehr über den Anlass: «Wir zeigen hier, dass die Religionen bestens zusammen konstruktiv auftreten können. Das ist angesichts Diskussionen um Händeschütteln und Burkaverbot ein wichtiges Zeichen», erklärte er dem defensiv mitspielenden Reporter in der Pause. Und: «Wir Religionen schauen nicht nur zu. Wir spielen mit.»

Neue Taktik. Die Taktik des im Hintertreffen liegenden FC Religionen wurde in der Pause aber trotzdem leicht angepasst: «Hinten kein Kleinklein, sondern weg mit dem Ball. Und vorne vermehrt über die Flügel», lautete die Devise.
Schon bald hiess es 2:2. Benny Epstein hatte sein zweites Tor erzielt. Simon Sigrist, angehender Theologiestudent und Sohn von Christoph, schoss die Religionen erstmals in Führung. Postwendend glich die NZZ jedoch aus. Felix Reich, Redaktionsleiter bei «reformiert.zürich», brachte den FC Religionen erneut in Führung. Rufe der NZZ-Verteidiger «Achtung, die Nummer 7!» taten ihre verwirrende Wirkung.
Mit einem kombinationssicher herausgespielten Tor durch Christoph Sigrist fiel die Entscheidung zugunsten der Religionen. Die alte Tante wirkte langsam auch etwas müde, verständlich bei ihrem Alter. Allerdings sind die Religionen auch nicht jünger.
Zwar bäumte sich die NZZ in den Schlussminuten noch einmal auf, mit dem Resultat, dass nicht der Ball ins Tor, sondern ein Stürmer in den Pfosten flog und das Tor dabei sogar noch verschob. Das sah schlimm aus, zum Glück ist aber nichts passiert.

Seelsorger und Schiedsrichter. Mit einem ungemein gut gelaunten Christoph Sigrist («mis erste Goal!») ging der FC Religionen dank einer klaren Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit als verdienter Sieger vom Platz. Zwar wurde der gut pfeifende Schiedsrichter Markus Nägeli, der ebenfalls Pfarrer ist und im Spital von Uster als Seelsorger arbeitet, manchmal angeraunzt, doch insgesamt zeigte die Partie, wie integrativ Fussball ist und wie symbolisch er für gutes Zusammenleben stehen kann. Selbst wenn keine Trainings vorher stattfanden.