«Gelb wird geliebt oder gehasst»

Ausstellung

«Gelb!» heisst die Ausstellung im Gelben Haus Flims. Eine Farbe, die im Christentum und Judentum gar nicht gut ankam. Kurator Yves Schumacher über die Gründe.

War es schwierig, religiöse Beispiele für Ihre Ausstellung zu finden?

Yves Schumacher: Ja. Nehmen wir das Alte Testament: Gelb kommt von allen Farben in der Bibel am seltensten vor. Und wenn Gelb einmal erwähnt wird, dann negativ: Unter anderem im Zusammenhang mit Aussätzigkeit.

Haben Sie eine Erklärung?

Das könnte mit dem Erleben der Natur durch die Menschen im Nahen Osten zu tun haben. In den orientalischen, heissen Gegenden ist Gelb die Farbe der Dürre, des Welkens. Von dort ist es ein kleiner Schritt, dass Gelb auch für Vergänglichkeit und Krank­heit steht.

Und warum übernahm das Christentum diese Deutung?

In der katholischen Kirche legte Papst Innozenz III. im 12. Jahrhundert die Re­gel fest: Man solle Gelb in der Liturgie nicht berücksichtigen. Dieses Verbot galt bis 1970. Eine Ausnahme bildet die Fahne des Vatikanstaats, die zur Hälfte gelb ist, weil Fahnen nicht zur Liturgie gehören. Allerdings steht hier Gelb als Ersatz für Gold, und die Fahne kam erst im 19. Jahrhundert in Gebrauch.

Was ist denn so gefährlich an Gelb?

Gelb ist eine ambivalente Farbe in der menschlichen Wahrnehmung. Gelb pola­risiert: Es wird geliebt, oder gehasst. Gelb ist die hellste Farbe im Farbkreis, in Kombination mit Schwarz hat es die stärkste Signalwirkung. Deshalb wurde Gelb immer als Warnfarbe gebraucht, unter Menschen genauso, wie in der Natur. Denken Sie zum Beispiel an Wespen.

Und wenn ich an Menschen denke?

Seit der Antike benutze man Gelb zur Ausgrenzung von Minderheiten. Prostituierte im römischen Reich mussten in vielen Städten gelbe Kleider oder Hauben tragen. Scholaren, das heisst fahrende Schüler oder Studenten, die auf Jahrmärkten magische Praktiken ausübten, hatten sich mit einem gelben Hutband kenntlich zu machen. Juden wurden seit dem Mittelalter mit gelben Ringen oder Stoffflecken auf ihrer Kleidung ausgegrenzt, daraus entstand der Juden­stern der Nazis. Konkursite mussten in deutschen Landen gelbe Bérets tragen, und in Städten mit Pestkranken wurde eine gelbe Fahne zur Warnung gehisst.

Und diese Ausgrenzung hat das Christentum übernommen?

Ja. Gelb wird mit Negativem in Verbindung gebracht. Mit Tod, Neid und Irrglauben. Den Ketzern im Mittelalter wurde bei der Hinrichtung ein gelbes Kreuz umgehängt. Und Giotto, der Wegbereiter der italienischen Renaissance, malt Judas beim Judaskuss mit einem gelben Gewand. Gelb ist hier die Farbe des Ver­räters.

Gibt es denn gar keine positiven Ausnahmen im Christentum?

Doch, in der Kunst habe ich ein Gegenbeispiel gefunden. Es gibt Darstellungen des Erzengels Gabriel in Gelb. Er wird damit als Lichtgestalt dargestellt.

Licht ist das Stichwort für östliche Religionen.

Ja. Interessanterweise finde sich die gegenteilige Wertung der Farbe Gelb in den östlichen Religionen. Im Buddhismus repräsentiert Gelb die Farbe der Sonne. Eine Inkarnation von Buddha ist gelb. Wir haben eine gelbe Buddhastatue in der Ausstellung: Die gelbe Haut Buddhas gilt als Ausdruck von Ausgeglichenheit. Eine Farbe gegen jede Form von Extremismus. Und in China wurde Gelb dann sogar zur kaiserlichen Farbe. Gelb bedeutete göttlich.

Haben Sie eine Erklärung, wieso die gleiche Farbe in Religionen so unterschiedlich bewertet wird?

Ehrlich gesagt nein.

Yves Schumacher. 1946 geboren, ist Kommunikationsberater und hat zahlreiche kulturhistorische Bücher und Artikel verfasst sowie Ausstellungen kuratiert.

Gelb!

Die Ausstellung einer Farbe. Geöœffnet bis 10. April und vom 26. Juni bis 23. Oktober 2016, jeweils Dienstag bis Sonntag, 14 bis 18 Uhr.

Das Gelbe Haus Flims, Via Nova 69, 7017 Flims.

www.dasgelbehausflims.ch