Recherche 28. Juni 2019, von Marius Schären

«Ich weiss, dass sie friedlich sterben»

Konsum

Walter Niederberger ist Landwirt und Metzger. Dass sein Betrieb vor allem Demeter-Fleisch produziert, ist ihm wichtig – ebenso, die Tiere in Ehren zu halten.

Vom Werbebild mit brutzelndem, duftendem Fleisch auf dem Grill ist man in der Bio-Metzg Stettler weit entfernt. Alles ist hier in erster Linie zweckdienlich. Ein schlichtes Büro, verwinkelte weiss gekachelte Räume, Leuchtstoffröhren, Chromstahl, und überall Fleisch: in Kisten, auf Tischen, in kalten und rauchigen Kammern.

Verteilt in diesem Labyrinth eine Frau und acht Männer, die arbeiten. Im Pausenraum mit viel Holz, Tischen, Bänken und leichtem Zigarettengeruch erzählt der Chef, Walter Niederberger. Der Landwirt und Metzger übernahm vor sechs Jahren die traditionsreiche Bio-Metzgerei Stettler in Langenthal und zog mit dem Betrieb nach Kirchberg. Einen Laden gibt es hier nicht. Das Geschäft läuft über Bioläden, Restaurants und direkt per Post an die Kundschaft. 

Ungeschminkte Antworten

So schlicht und direkt wie der Betrieb gibt sich auch der Geschäftsleiter im Gespräch. Nicht alles, was er sagt, will er dann geschrieben sehen. Doch eines stellt er ganz offen klar: «Weniger Fleisch zu essen, macht Sinn. Es ist ökologischer.» Ganz ohne Eigennutz sind die Äusserungen Walter Niederbergers allerdings nicht. Es sei doch besser, wenn schon Fleisch zu konsumieren, dann von artgerecht und biologisch gehaltenen Tieren. Und genau das bietet seine Metzgerei an: ausschliesslich Bio-Fleisch, das meiste sogar mit dem noch strengeren Demeter-Label. «Ausserdem enthalten unsere Produkte keine E- und Zusatzstoffe. Allenfalls geben wir etwas Demeter-Zucker, natürliches Nitrat und Farbstoff aus Randen hinzu», sagt Niederberger.

Jahrelang hat der Landwirt und Metzger beim grossen Fleischverarbeiter Bell gearbeitet. Heute hat sein Betrieb ganz andere Dimensio­nen. «Freitags schlachten wir jeweils drei bis vier grosse Tiere – beispielsweise Rinder –, vier bis fünf Lämmer, etwa vier Schweine.» Die meisten Tiere holt der Chef selber bei den Bauern ab, in zwei Ladungen. Die Tiere sollen nicht lange warten, möglichst wenig Stress und keine Angst haben. «Ich hatte schon immer eine Beziehung zu Tieren. Die Ehre vor dem Tier zu wahren, ist mir wichtig», sagt der 57-Jährige. Er töte nicht gerne – aber wenn er es nicht tue, mache es sonst jemand anderer. Und er ist sich gewiss: «Ich weiss, dass sie friedlich sterben.»

Klare Grenzen

Die geschlachteten Tiere hängen übers Wochenende bis Montag ab. Meist montags und mittwochs werden im Betrieb die eigenen Produkte verarbeitet. An den anderen Tagen stehen Lohnschlachtungen für Metzgereien sowie Landwirte an. Manche Kunden wünschten eine längere Abhangzeit von ein bis zwei Wochen, führt Walter Niederberger aus. «Das gibt zwar grösseren Gewichtsverlust, das Fleisch wird dafür schmackhafter und zarter.»

Doch auch hier hat der Bio-Metzger Grenzen: Tendenzen wie extrem lange Abhängzeiten von einem Monat für ganze Tiere am Stück findet er nicht gut. «Bei so langen Abhangzeiten ist zu viel des Fleisches nicht mehr essbar. Für mich heisst Ehre vor dem Tier eben auch, dass wir es von Kopf bis Fuss essen, wenn wir es schon schlachten.»

Als Metzger verarbeitet Niederberger denn auch die ganzen Tiere. Und als Konsument? «Mein Lieblingsstück ist nicht eindeutig. Ich esse alles gern.»