Die EKS schreibt in ihrer ergänzenden Stellungnahme: «Die christliche face-to-face-Theologie hat nicht nur unsere Kultur, sondern auch unsere Politik wesentlich geprägt». Wären der Religionsfreiheit also nicht Grenzen zu setzen, wenn es um die fundamentale Errungenschaft geht, dass alle Menschen sich als unverwechselbare Individuen zu erkennen geben?
Ja, es stimmt: Gemeinschaft gelingt nur dort, wo Menschen sich mit ihren Ansichten und Meinungen zu erkennen geben, im wörtlichen Sinn Gesicht zeigen. Gleichzeitig kann aber die öffentliche, unverhüllte Teilhabe nicht erzwungen werden, ausser es geht eine tatsächliche Gefahr aus, was im Moment nicht der Fall ist. Deshalb halten wir auch den Gegenvorschlag mit seinen Fördermassnahmen für Frauen für nützlich. Er sieht keine generelle Enthüllung vor, sondern nur, wenn dies für die Identifikation durch Behörden notwendig ist. Er sieht aber auch Unterstützungsmassnahmen vor für Projekte rund um Aufklärung und Gleichstellung. Ich hoffe, dass die liberalen Musliminnen hier den Bundesrat beim Wort nehmen und entsprechende Beiträge beantragen und Projekte aufgleisen oder weiterführen.
Selbst wenn ein Verhüllungsverbot nur Symbolpolitik wäre, so würde zumindest ein Pflock eingeschlagen: Gesicht zu zeigen, gehört in einer liberalen Gesellschaft dazu.
Richtig, Gesicht zeigen gehört zur offenen Gesellschaft dazu. Wir sollten unsere fundamentalen liberalen Errungenschaften aber nicht verteidigen, indem wir andere, wie zum Beispiel die verfassungsmässig garantierten Freiheiten, ohne Not einfach über Bord werfen. Sind wir in der Schweiz nicht offen genug, sagen zu können: Ja, der Anblick einer Frau, die eine Burka trägt, befremdet mich? Diese Andersartigkeit auszuhalten und einen respektvollen Umgang damit zu finden, das sind wir uns gegenseitig in einer pluralistischen Gesellschaft schuldig. Gleichzeitig müssen wir eine Kultur des Dialogs fördern, anstatt Verbote auszusprechen. Wir müssen der Überzeugungskraft einer freien und offenen Gesellschaft und ihrer Integrationskraft vertrauen und daran festhalten.