Wie kommt ein Physiker zur Kirchenmusik?
Das geschieht schleichend. Irgendwann hat mich jemand angefragt, ob ich einen Chor leiten möchte. Ein zweiter kam dazu, es begann Spass zu machen, und ich habe mich für ein neues Studium entschieden.
Sie sind heute vollamtlich als Chorleiter und Organist tätig und neu zuständig für die Förderung von Nachwuchsmusikerinnen und -musikern. Warum braucht es das?
Weil wir sehr bald keine Organistinnen und Organisten und Chorleitende mehr haben werden. Aber in der reformierten Liturgie gehören Musik und Text zusammen. Musik dient der gemeinsamen Reflexion und dem Gemeinschaftsgefühl.
Sie sagten einmal: «Wir stehen vor grossen Herausforderungen.» Was meinten Sie damit?
Für viele Menschen ist die Kirche nicht sexy. Es gibt sehr viele Interessengruppen auch ausserhalb des Kirchenpublikums, das sich andere Formen der Liturgie wünscht. Man geht nicht mehr jeden Sonntag zur Kirche oder ins Konzert. Man sucht sich das aus, was einen anspricht. Das fordert nicht nur die Pfarrpersonen, es hat auch Auswirkungen auf die Musik. Da ist eine Entwicklung im Gange, die andernorts weiter ist als hier. Für meine Arbeit bietet das mehr Spielraum.
Zum Beispiel?
Im Kirchenchor in Trimmis, den ich leite, singen viele junge Menschen mit. Sie wollen am Karfreitag auch einmal anderes singen als Bachchoräle. Ein Konfirmandengottesdienst lässt sich zum Beispiel gut auch mit Filmmusik begleiten.
Welche Filmmusik eignet sich für einen Gottesdienst?
Die von John Williams, er komponierte für «Indiana Jones», «Jurassic Park» oder «Star Wars». Sie eignet sich sehr gut, weil sie grossartige Melodien hat und spannend geschrieben ist. Das ist in der klassischen Tradition verwurzelte Orchestermusik.
Wie möchten Sie konkret das Interesse bei Jugendlichen für Orgelmusik wecken?
Wir laden sie zu Schnuppernachmittagen ein. Kinder und Jugendliche, die bereits Klavier spielen, lernen so ein neues Instrument kennen, das auch Auftrittsmöglichkeiten und einen Nebenverdienst bietet. Ich sehe aber auch grosses Potenzial bei Personen zwischen 40 und 60 Jahren, die Klavier gespielt haben und nun wieder mehr Zeit haben.
Was macht für Sie einen guten Orgelspieler aus?
Jemand, der den Atem der Gemeinde fühlt. Keine zu langsamen oder zu schnellen Tempi spielt, so dass kein Mensch atmen kann. Das ist ebenso wichtig wie das freie Spiel. Wenn dann jemand so spielt, dass ich vergesse, dass ich Musik höre, ist das Orgelspiel vollkommen.
Was hören Sie am liebsten?
Wie alle Organisten schätze ich Bach unglaublich. Es ist Musik, die vollkommene Momente schafft. Ich höre aber auch gern Filmmusik oder Musik von Crossover-Künstlern wie John Lord von Deep Purple. Klassische Musik mit Rock, Pop, Jazz zu vereinen, führt zu neuen Möglichkeiten und, wie bei seinen Soloalben, zu genialer Musik.
Was bedeutet Ihnen Kirche?
Gemeinschaft. Aufeinander und auf die Natur achtzugeben. Die Werte sind heute genauso wichtig wie vor 2000 Jahren.