Als ihre Grossmutter im beschaulichen Tschierv die Kirche putzte, begleitete die kleine Cinzia sie oft. Die Orgel mit ihren Pfeifen und Tasten hatte auf sie eine magische Wirkung. «Doch das Instrument war einfach zu kompliziert», erinnert sich die heute 23-Jährige.
Cinzia Regensburger wuchs im Münstertal auf. Anfang der 2000er-Jahre war sie in der 180-Seelen-Gemeinde die Einzige in ihrem Jahrgang. «Also verbrachte ich viel Zeit mit dem älteren Bruder», sagt die junge Frau heute. «Und mit Musik.» Musik, die sie nicht zuletzt von ihrer Grossmutter bekam. Stets beschenkte die Grossmutter ihre Enkelin mit CDs. «Ich habe die Musik dann auf dem Klavier nachgespielt, bevor ich überhaupt eine Note lesen konnte», erinnert sich Cinzia Regensburger. Da die schwarzen und weissen Tasten aber noch viel zu gross für die kleinen Hände von Cinzia waren, lehrte sie die Mutter vorher die Flöte zu spielen.
Ein romanisches Schlaflied
Cinzia begleitete auch den Vater zur Arbeit, der in der Dorfschule Hausabwart war. «Dort stand ein Klavier, das ich spielen durfte», erinnert sie sich. Als eine Musikerin aus dem Dorf Cinzia Regensburger spielen hörte, schenkte sie der Familie einen Flügel. Und «als Kind sang mir mein Vater jeden Abend romanische Lieder vor», sagt Regensburger. Das tat er stets, bevor sie gemeinsam das Vaterunser sprachen. Rückblickend sei das der wichtigste musikalische Einfluss gewesen, erzählt die Bündnerin.
Zu ihrem Repertoire zählt seit vielen Jahren das Lied «Chara Nona». Noch am gleichen Tag, als die Grossmutter 2016 starb, setzte sich die damalige Schülerin ans Klavier und schrieb einen Text für die geliebte Nona. «So konnte ich meiner Trauer Ausdruck verleihen», blickt sie zurück. Zu jenem Zeitpunkt lebte die Familie bereits im Engadin. Aus beruflichen Gründen war die Familie nach Scuol gezügelt. Cinzia nahm zu dieser Zeit längst Musikstunden und schrieb weiterhin eigene Texte.
Der Besuch am Schierser Musikgymnasium war naheliegend, und anschliessend studierte Regensburger an der Universität Mozarteum in Salzburg Klavier im Hauptfach und klassischen Gesang im Nebenfach. Nach dem Studium folgten mehrere Musicalproduktionen unter ihrer Leitung. Zudem konnte Cinzia Regensburger bereits schon zwei eigene Alben vorlegen. «Impissamaints» und «In Movimaint» lauten die Titel.
«Gedanken» und «in Bewegung sein» stehen exemplarisch für die Jahre, die hinter der jungen Musikerin liegen. Denn will sie von der Musik leben können, muss Regensburger sich auch als Geschäftsfrau behaupten. «Ich muss die Produktion der eigenen Tonträger kalkulieren und die Vermarktung antreiben, Auftritte organisieren.»
Zielstrebig will die junge Musikerin weiter ihren Traum verfolgen: «Von der eigenen Musik leben können», sagt sie und strahlt dabei. Zufällig lernte Regensburger 2021 den Churer Komponisten und Orchesterdirigenten Urs Leonhardt Steiner und seine Frau Kate kennen.
Die grosse Bühne
Steiner gründete vor Jahren das San Francisco Symphony Orchestra, eines der bedeutendsten Profiorchester in den USA. Steiner ist der Direktor des Orchesters. Letzten Herbst konnte Regensburger ihn erstmals in Kalifornien besuchen.
Dabei entstand die Idee, dass die Pianistin Teil von Steiners aktuellem Projekt «Songs of Truth» wird. Die «Lieder der Wahrheit» sind Stücke verstorbener Musiker und Komponisten, die als Häftlinge im Konzentrationslager ums Leben kamen.
«Cinzia wird die Stücke am Klavier arrangieren», sagt Steiner. Auf die Zusammenarbeit freut er sich. Bis Ende Juni sind mehr als 15 Konzerte in San Francisco geplant. Nächstes Jahr wird ein Teil des Orchesters aus den USA in die Schweiz reisen. «Die Planungen laufen auf Hochtouren», so Steiner. Cinzia Regensburger wird auch hier am Klavier begleiten – auf der grossen Bühne in der Schweiz.