Die Kirche rüstet sich für die nächste Krise

Energie

Kirchgemeinden wollen Strom sparen, auch um steigende Preise aufzufangen. Und sie versprechen, sich um Menschen zu kümmern, die unter einer Energiekrise besonders leiden würden.

Ein Rettungsschirm für den Stromkonzern Axpo, der Bundesrat gibt der Bevölkerung Energiespartipps, und die Kosten für Strom, Öl und Gas steigen: Die Debatte um Energieknappheit infolge des Ukraine-Kriegs hat die Schweiz erreicht. Konsequenzen hat die Situation auch für die Kirchgemeinden. Im Budget fürs kommende Jahr müssen sie für ihren Energiebedarf höhere Kosten einplanen. Auswirkungen hätte eine Mangellage aber nicht nur auf die Finanzen, sondern vor allem auf Betrieb und Angebot.

Die Zürcher Landeskirche hat einen «Krisenstab Winter 2022/23» eingerichtet. Dieser soll helfen, auf kantonaler Ebene, wenn nötig, zügig zu reagieren, wie der Kirchenrat in seiner neusten Mitteilung an die Kirchgemeinden schrieb. Zumal möglich sei, dass auch die Pandemie in der kalten Jahreszeit wieder in den Vordergrund gerate oder mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen werden müssten. «Die Herausforderung besteht in der Kombination der verschiedenen Themen», sagt Kirchenratspräsident Michel Müller gegenüber «reformiert.». So könne eine neue Corona-Welle beispielsweise vermehrt digitale Angebote nötig machen, diese seien im Fall von Stromunterbrüchen aber besonders störungsanfällig.

Gemeindehaus statt Kirche

Den Kirchgemeinden rät der Kirchenrat, Massnahmen zu prüfen, etwa Gebäudetemperaturen abzusenken, notfalls Gottesdienste in besser beheizbare Gebäude zu verlegen oder – auch als Signal an die Bevölkerung – die Aussenbeleuchtungen abzuschalten. Wie schon zu Beginn der Pandemie sollen sich die Kirchgemeinden überlegen, welche Angebote sie in jedem Fall aufrechterhalten wollen und worauf sie notfalls verzichten könnten.

Zu berücksichtigen ist dabei das Szenario, dass steigende Energiepreise und Lebenshaltungskosten vermehrt Menschen in existenzielle Schwierigkeiten bringen können. Müller rät Kirchgemeinden, sich darauf vorzubereiten, Betroffene zu unterstützen, etwa mit zusätzlichen Begegnungsmöglichkeiten oder warmen Mahlzeiten. «Es ist die Stärke der Kirchgemeinden, dass sie wissen, wer diese Menschen sind.» Der Kirchenrat geht grundsätzlich davon aus, dass «die Kirche als Ganzes auch in diakonischer und seelsorgerlicher Hinsicht» stärker gefragt sein werde.

Die Energielage bringt uns dazu, jetzt schon ans Stromsparen zu denken, nicht nur aus Kostengründen, auch aus Solidarität.
Peter Reinhard, Kirchenpflegepräsident Kloten

Auch die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) hat reagiert und ihre beiden Taskforces «Ukraine» und «Pandemie» zur neuen Taskforce «Überlagernde Krisen» zusammengeführt. «Wir betrachten eine mögliche Energiemangellage mit Sorge, stufen das Thema aber noch nicht als akut ein», sagt der Leiter Kommunikation Dominic Wägli. Ziel der EKS ist es, den Mitgliedkirchen Informationsmaterial bereit zu stellen, über allfällige Vorschriften des Bundes bis hin zu Energiesparmöglichkeiten oder diakonischen Projekten. Wägli sieht die Kirchen gut gerüstet, weil sie sich schon in den vergangenen zwei Jahren im Krisenmodus befanden. «Diese Rückmeldung haben wir von den Mitgliedern erhalten.»

Nachfragen bei Kirchgemeinden zeigen, dass das Thema bereits die Basis beschäftigt. «Die Kirchgemeinde Zürich nimmt die angespannte Situation sehr ernst», sagt der für Immobilien zuständige Kirchenpfleger Michael Hauser. Eine Taskforce formiert sich, um rasch auf Empfehlungen der Landeskirche und Massnahmen der Stadt reagieren zu können. Zunächst stehen Energiesparmassnahmen im Zentrum. Im Budgetantrag rechnet Hauser mit einer Steigerung der Energiekosten um 35 Prozent.

Der grüne Güggel hilft

Auch die Kirchgemeinden Kloten und Horgen, deren Strompreise um 80 bis 100 Prozent steigen, nehmen Budgetanpassungen vor. In Kloten bittet Kirchenpflegepräsident Peter Reinhard Mitarbeitende um eine Liste von Stromsparmöglichkeiten. Das Umweltlabel Grüner Güggel, das Energieverbrauch und Einsparpotenziale offenlegt, ist eins seiner Legislaturziele. «Aber die Energielage bringt uns dazu, jetzt schon ans Stromsparen zu denken, nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus Solidarität.»

Horgen hat jüngst den Zertifizierungsprozess für den Grünen Güggel durchlaufen und erste Massnahmen bereits umgesetzt. «Das kommt uns jetzt zugute», sagt Kirchenpfleger Andreas Kast. In Horgen wie in Kloten heisst es, in der Pandemie lancierte Angebote für Armutsbetroffene könnten notfalls auch im kommenden Winter genutzt werden. In Zürich gibt es hierzu noch keine konkreten Pläne. Die für Diakonie zuständige Kirchenpflegerin Claudia Bretscher betont aber, die Kirche habe Menschen in existenzieller Notlage bisher immer geholfen.

Appell zum freiwilligen Energiesparen

Vom Netz genommene Atomkraftwerke in Frankreich, halb leere Stauseen nach dem trockenen Sommer und der Krieg in der Ukraine sind Gründe, warum Experten im kommenden Winter einen Energiemangel befürchten. Der Bundesrat hat deshalb mit einer Kampagne zum Energiesparen aufgerufen. 
In Bezug auf Strom definierte er kein konkretes Sparziel. Stark steigende Preise dürften zusätzlich zu geringerem Verbrauch motivieren. Beim Gas leg-te der Bundesrat ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent fest. Er fordert 
Unternehmen und Haushalte auf, die Raumtemperatur zu senken. Bei aku-ter Knappheit könnte die Regierung verbindliche Einschränkungen, Kontin-
gente oder Verbote einführen.