Nichts für Kleinkarierte

Gepredigt

Die Predigt von Helke Döls am 24. Januar 2016 in der reformierten Kirche Malans

Weil ich frei bin gegenüber allen, habe ich mich zum Sklaven aller gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. 1.Korinther 9, 19

Als Christinnen und Christen müssen wir aufhören zu fragen, wer zu uns passt und wer bereit ist, sich uns anzupassen. Wir müssten eigentlich fragen, wie wir in Kontakt kommen. Was können wir für die Menschen tun? Und wir müssten einfach da sein, offen, barmherzig, zugewandt.

Auf Kurs kommen. Wenn wir auf diesen Kurs kommen, dann werden wir alles andere erleben als einen Profilverlust. Das könnte man ja angesichts der Worte von Paulus befürchten. Wenn ich allen alles werde, wer bin ich dann? Jesus scheint das überhaupt nicht gefürchtet zu haben. Er hört nicht auf, der zu sein, der er ist, wenn er sich offen und interessiert Menschen zuwendet, die so ganz anders sind als er. Und uns wird das auch nicht passieren.

Aber es braucht eine Konzentration auf das Evangelium, um nicht vom Kurs abzukommen. Wir müssen das Zentrum unseres Lebens und un­seres Handelns im Blick haben. Mehr als das: Wir müssen mit dem Zentrum in Berührung sein. Unter dieser Voraussetzung können wir uns ganz weit aus dem Fenster lehnen. Viel weiter, als wir das bisher wagen.

Was ich will. Jemand hat einmal zu mir gesagt, dass «die alten Pfarrer noch gewusst haben, was sie wollen». Nachdem mein Zorn verraucht war, habe ich darüber noch lange nachgedacht. Und ich bin zu einem Schluss gekommen. Ich weiss auch, was ich will.

Ich will, dass Menschen zu ihrem Eigenen finden, zu dem, was ihr Leben im ganz Grundlegenden trägt. Ich kann Ihnen sagen, was mich trägt, ich kann Ihnen erzählen von meinem Geborgensein in Gott. Und das ist viel, denn das ist sehr persönlich. Aber es ist meins. Und was ich als Pfarrerin will, ist, dass Sie finden, was Sie trägt. Und das ist ebenfalls viel, denn es ist sehr persönlich.

Manche Dinge müssen sich ändern, nicht, weil man mit der Zeit gehen muss, und das zähneknirschend einsieht, sondern weil es unser Auftrag ist, der Bewegung des Evangeliums, die in uns eine eigene, innere Lebensbewegung auslöst, zu folgen.

Viel verlangt. Das ist viel verlangt. Es ist nichts für Kleinkarierte. Und wir alle haben wahrscheinlich auch diesen Kleinkarierten in uns. Den, der auf Recht und Ordnung pocht. Auch den, dem die Veränderungen Angst machen, der sich mit Händen und Füssen und vor allem Scheuklappen vor den Augen dagegen sträubt, dass sich die Gesellschaft verändert. Gerade von dem wird viel verlangt.

Die Haltung des Paulus ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von grosser innerer Stärke. Sie erfordert, dass ich mich immer wieder neu ausrichte auf das Zentrum. So wie Christus sagt, dass nicht die Gesunden den Arzt benötigen, sondern die Kranken, so sagt er womöglich uns: Die Grossherzigen brauchen mich weniger als die Kleinkarierten.

Gepredigt am 24. Januar 2016 in der reformierten Kirche Malans