Recherche 28. Januar 2021, von Nadja Ehrbar

Nothilfe taugt nicht als dauerhafte Lösung

Asyl

Im Kanton Zürich leben 300 Personen in Rückkehrzentren. In zwei Zentren sind 31 Kinder untergebracht.

Kaum Privatsphäre, nächtliche Polizeikontrollen: Das ist Alltag für viele Familien, die im Kanton Zürich in Rückkehrzentren untergebracht sind. Hanna Gerig, Geschäftsleiterin des Vereins Solinetz, kennt die Situation von abgewiesenen Asylsuchenden und deren Kindern. Es gebe zwar Familienzimmer. Doch darin lebten und schliefen Erwachsene und Kinder. Es stellten sich praktische Fragen wie: «Lösche ich das Licht, wenn die Kinder schlafen sollen, ich aber wach bleiben will?»

Wenn es den Eltern schlecht geht, dann geht es auch den Kindern schlecht.
Hanna Gerig, Geschäftsleiterin Solinetz

Die Wohnsituation und die Angst vor Kontrollen wirke sich negativ auf die Psyche der Menschen in den Notunterkünften aus, betont Gerig. «Und wenn es den Eltern schlecht geht, dann geht es auch den Kindern schlecht.» Die Eltern könnten jederzeit verhaftet werden, da sie sich illegal in der Schweiz aufhielten. Psychologische Betreuung gebe es nur beschränkt und wenn, dann existierten lange Wartelisten. Im Vergleich mit anderen Kantonen ist die Zürcher Gesundheitsdirektion für ihren harten Kurs bekannt.

Verständnis der Behörden

Im Kanton leben derzeit rund 600 abgewiesene Asylsuchende, davon 300 in den fünf Notunterkünften oder Rückkehrzentren, wie sie auch genannt werden. Die Zahl ändert sich von Tag zu Tag. Familien werden in Adliswil und Hinteregg untergebracht. Auf 140 Personen sind die Container und Baracken in Adliswil ausgelegt, und im ehemaligen Psychiatriezentrum in Hinteregg hat es Platz für rund 100 Personen.

Von den 31 Kindern in beiden Unterkünften sind laut kantonalem Sozialamt 16 schulpflichtig. Sie besuchen die Schulen in den jeweiligen Gemeinden und haben so Kontakt zu anderen Kindern. Es seien auch Spielzimmer vorhanden, sagt Andrea Lübberstedt, Chefin kantonales Sozialamt Zürich. Und: «Ich habe vollstes Verständnis dafür, dassdie Situation für Familien ohne Bleibeperspektive nicht leicht ist.» Doch Einsätze der Polizei seien nicht zu vermeiden, hält Lübberstedt fest.

Eine Perspektive bieten

Das Sozialamt setze sich dafür ein, die Situation der Kinder zu verbessern, sagt Lübberstedt. So sei in Adliswil ein Neubau geplant. Und die für die Betreuung in den Zentren zuständige ORS Service AG sei in Kontakt mit einer Kinderrechts-Organisation, die helfe, Massnahmen zum Wohl der Kinder umzusetzen.

Abgewiesene Asylsuchende erhalten im Kanton Zürich eine Nothilfe von 8.50 Franken pro Tag. Das muss für die Verpflegung, Kleider, Freizeitfahrten im öffentlichen Verkehr sowie weitere Grundbedürfnisse reichen. Es gebe Menschen, die seit mehreren Jahren so lebten und nicht mehr in ihre Heimat könnten, sagt Hanna Gerig vom Solinetz. In solchen Härtefällen müsse der Aufenthalt legalisiert werden können. «Damit Betroffene eine Perspektive und Unterkünfte mit Privatsphäre erhalten.»