Recherche 17. September 2018, von Karin Müller/kirchenbote-online.ch

Nun wollen sie miteinander reden

Ökumene

Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa haben mit dem Vatikan eine Absichtserklärung für einen offiziellen Dialog unterzeichnet. Stolpersteine bleiben.

45 Jahre nach ihrer Gründung auf dem Leuenberg im Kanton Baselland trifft sich die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE vom 13. bis zum 18. September erstmals wieder in der Schweiz, in Basel. Höhepunkt war am Bettag die Absichtserklärung zum gemeinsamen Dialog zwischen Evangelischen und Katholiken, die GEKE-Präsident Gottfried Locher und Kurienkardinal Kurt Koch unter den Augen von 650 Gästen im Rahmen eines Festgottesdienstes im Münster unterzeichneten.

Die GEKE vertritt die Anliegen von rund 50 Millionen Protestanten aus fast hundert lutherischen, methodistischen, reformierten und unierten Kirchen aus über 30 Ländern. Ziel ist die «Einheit in versöhnter Vielfalt».

Das Verbindende betonen

Das Grusswort der Landesregierung überbrachte Bundesrat Ignazio Cassis. «Ich freue mich, zu Ihnen als Katholik zu sprechen aus einem Kanton, wo die Reformation nur spärlich Fuss fassen konnte», meinte der Tessiner. Er bezeichnete die Absichtserklärung als wichtigen Schritt, «auch weil in der Vergangenheit nicht immer das Verbindende betont wurde, sondern oft auch das Trennende».

Cassis blickte zurück auf die historischen Differenzen zwischen den Konfessionen in der Schweiz, die 1847 im Sonderbundskrieg gipfelten. Er verwies darauf, dass die Absichtserklärung am eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag unterzeichnet wird und dies kein Zufall sei. Es ist der staatliche Feiertag, der nach der Gründung des Bundesstaates den Graben zwischen den Konfessionen überwinden sollte.

Basel sei mit seiner Tradition als Gastgeberin wichtiger kirchlicher Versammlungen der richtige Ort für die Unterzeichnung der Absichtserklärung, sagte Cassis weiter. Hier fand im 15. Jahrhundert das Konzil statt und 1989 die erste Europäische Ökumenische Versammlung «Frieden in Gerechtigkeit». «Christliche Tradition und Offenheit bilden in dieser Stadt ganz offensichtlich einen guten Rahmen für das Miteinander. Und für Toleranz, Verantwortung und die Freiheit jedes Menschen», so der Bundesrat. Für die Schweiz bedeute die Absichtserklärung ein ermutigendes Signal. «Denn es bedeutet, dass die Schweiz nicht nur ihren Beitrag leisten kann, wenn es darum geht, politische Konflikte zu lösen.»

Empfehlungen für Friedensstifter

Auch GEKE-Präsident Gottfried Locher blickte in seiner Predigt zurück ins Jahr 1989, als sich Europa im Umbruch befand und kurz danach der Eiserne Vorhang fiel. An Pfingsten 1989 habe mit der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel die Öffnung und die Hoffnung auf Frieden begonnen. «Frieden ist immer relativ, und wer selber in einem bewaffneten Konflikt leben muss, hat weniger Verständnis für Verallgemeinerungen», sagte Locher. Dennoch hätten wir «allen Grund zur Dankbarkeit», «der grosse kontinentale Krieg» sei in Europa ausgeblieben. «Was gibt es heute noch zu tun?», fragte Locher. Die Unsicherheit bleibe die grosse Konstante, Frieden sei flüchtig. Der GEKE-Präsident formulierte daraufhin Empfehlungen für Friedensstifter, denn nicht die «passiv Sanftmütigen» spreche Jesus selig, sondern die «Frieden-Macher». Man dürfe nicht wegsehen, müsse fair streiten und selbstkritisch bleiben.

Im Anschluss an die Predigt unterzeichneten Gottfried Locher und Kardinal Kurt Koch unter grossem Applaus die Absichtserklärung. Trotz der Freude über das historische Ereignis, liessen die beiden keine Zweifel über die Grenzen der Annäherung aufkommen. Unverhandelbar etwa sei die Frauenordination, sagte Locher, ebenso nicht zur Debatte stehe die Einheit mit dem Bischof von Rom, konterte Koch. Er meinte aber auch: «Dass es möglich ist, mit einer Kirchenfamilie einen solchen Dialog zu führen, ist eine Chance.»

Was unverhandelbar ist

Auf die Frage, wie sich der Dialog konkret gestaltet, meinte Gottfried Locher, es brauche in den Gruppen, die nun die Arbeit aufnehmen, «ein Gemisch aus Leuten der Basis sowie Fachtheologen und -theologinnen, Personen, die sowohl pastoral wie auch in der Gemeinde zu Hause sind». So könne man eine Akademisierung verhindern. Für die Protestanten unverhandelbar sei nicht nur die Frauenordination, sondern auch die Beteiligung von Laien und das Prinzip der Subsidiarität, dass die Kirche von unten, nicht von oben aufgebaut ist.

Es sei «einmalig und exemplarisch, dass die verschiedenen protestantischen Kirchen in Europa sich in der GEKE zusammentun und mehr Einheit suchen», sagte Kardinal Koch auf Anfrage: «Das muss man stärken und wertschätzen.» Es sei das erste Mal, dass die katholische Weltkirche mit einer regionalen Kirchengemeinschaft wie der GEKE den Dialog aufnehme. Damit werde die Einheit nochmals gefördert. Mit weiteren Aussagen hielt sich Koch zurück. Er wolle den Gesprächen nicht vorgreifen.

Einfluss auf Schweizer Reformierte

Der Dialog mit Rom könnte auch für die Schweizer Reformierten etwas bewirken. Die Ökumene funktioniere in den Kirchgemeinden oft sehr gut. Sobald jedoch ein neuer Priester komme, der die Ökumene nicht kenne und sich ans Lehramt halte, gebe es Probleme, erklärte Gottfried Locher. Gemeinsame Beschlüsse könnten sowohl auf evangelischer wie auf katholischer Seite mehr Klarheit und Verbindlichkeit schaffen. In Zukunft wäre der Vatikan beim Dialog präsent, so Locher.