Recherche 10. März 2020, von Constanze Broelemann

Eine Ausstellung zeigt, wir sind abhängiger als gedacht

Ausstellung

Was hat Abhängigkeit mit der Wohnungseinrichtung zu tun? Noch bis zum 22. März ist die Ausstellung «abhängig?» im Vögele Kulturzentrum in Pfäffikon in Schwyz zu erleben.

Abhängig» –  nur schon das Wort ruft negative Konnotationen hervor. Bei Abhängigkeiten denken wir umgehend an Schlechtes, Drogen oder Alkohol zum Beispiel und an Wiederholungen. Doch auch wenn wir an weniger gefährlichen Konsum wie etwa an den täglichen Kaffee denken, sind wir Abhängige von etwas. Manchmal ohne, dass wir uns dessen bewusst wären.

Weltenbürger Nummer 1
Ist es nun so, dass Abhängigkeiten per se negativ sind oder gibt es auch gute Abhängigkeiten? Dieser Frage können sich Besucher der Ausstellung «abhängig? wer, wie, von wem oder wovon» im Vögele Kulturzentrum in Pfäffikon, Schwyz stellen. Durch Tunnel, welche die Masse von Fluchtwegen haben, gelangen die Menschen durch die einzelnen Ausstellungsräume. Die erste Abhängigkeit: Denn jeder Raum braucht einen Fluchtweg. Dass unsere Reisefreiheit von unserem Pass abhängt, ist ein Thema. Auf einer Tafel wird eine Frau zitiert: «Dass ich in der Schweiz geboren bin, ist reiner Zufall. Das ist Lotterie. Aber davon werden ganz entscheidende Rechte abgeleitet.» Hilfreich könnte der grenzübergreifende Weltreisepass sein. Er geht zurück auf Garry Davis, der sich 1948 als Weltbürger Nummer 1 bezeichnete. Unterstützt wurde die von ihm gegründete Weltbürgerbewegung unter anderem von Geistesgrössen wie Albert Camus und Albert Einstein.

Weiter geht es durch den nächsten Tunnel. An die quietschgrünen Wände haben vorherige Besucher ihre Abhängigkeiten notiert: Den Dienstplan etwa, die Pille, Salz, Obdach oder TV-Serien. Dann folgt Werbung. Das Plakat der Bank, die damit wirbt, uns endlich in die Unabhängigkeit zu entlassen, wenn wir doch bei ihr ein Konto eröffneten. Doch dass wir uns damit stillschweigend in eine neue Anhängigkeit begeben, steht auf dem Plakat natürlich nicht. Der Künstler Joshua Geiger lässt die Besucher auf werbefreie Wände im Bahnhofsgelände schauen. Unweigerlich schiesst einem die Frage durch den Kopf: Ja, was machen wir eigentlich, wenn dort keine Werbung mehr zu sehen ist? Starren wir dann auf grauen Beton und fühlen uns unwohl?

Der Tisch ohne Beine
Endlich mal etwas Gutes: Betrachten wir Abhängigkeit als Form des Miteinanders, kann sie positiv sein. Stellt sich nur noch die Frage, wie wir sie gestalten. Die Möglichkeit, das gleich auszuprobieren, bietet der «Tisch ohne Beine.» Und der funk­tioniert so: Wenigstens zwei Per­sonen ersetzen die Tischbeine und legen sich die Tischplatte auf den Schoss. Sie müssen kommunizieren, denn die beiden sind abhängig voneinander: Stünde die eine Person einfach auf, würde die ganze Tischplatte und damit alles, was auf ihr liegt, zu Boden fallen. Macht ist ein Thema, das Abhängigkeit mit sich bringen kann. Der Künstler Harry Hachmeister, dessen Bilder in der Ausstellung zu sehen sind, spielt auf seinen Bildern mit der Grenze zwischen Fürsorge und Übergriff.

Sucht und Konsum sind anhand eines Fragebogens der Suchtpräventionsstelle Zürich thematisiert. Die Besucher können ihre Suchtgefährdung einstufen, bis sie erkennen, dass sie auch den Fragebogen hinterfragen sollten. Denn wer bestimmt, was zu viel ist?
Das ist eben auch abhängig von der jeweiligen Person. Deutlich wird das an 500 Löffeln, die auf ­einem Tisch liegen. Jeder ist anders. Jeder von einem anderen Menschen gefertigt, jeder mit anderem Mass.

Ab wann ist man zu Hause
Suchtprävention war schon immer ein gesellschaftliches Thema, einzig die Motivation hat sich geändert. Anhand ausgestellter Plakate geht es auf ­eine Zeitreise. Zielte die Prävention in den Vierzigerjahren auf die Vermeidung des gesellschaftlichen Schadens, so verschob sie sich später auf die Schädigung des persönlichen Rufes.

Und das Daheim? Was macht es zum eigenen? Ist es der persönliche Einrichtungsgeschmack oder ist es vielmehr die Abhängigkeit von den Angeboten und Trends eines Möbelhauses, fragt die in Zürich lebende Künstlerin Magdalena Baranya. Stück für Stück dämmert den Besuchern, dass erst das Ausbrechen aus der eigenen Rolle, das Hinterfragen, sichtbar macht, in welchen Abhängigkeiten wir uns eigentlich befinden.