Ihr Film ist eine Kritik an der Wirtschaft. Kaum jemand, der im Supermarkt eine Büchse Pellati kauft, stellt sich die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit und wie es den Migranten geht, welche diese Tomaten pflücken.
In Italien leben eine halbe Million rechtloser Immigranten, die ausgebeutet werden, nur damit wir billige Tomaten und Orangen essen können. Dieser Widerspruch wurde mit dem Bezug zur Bibel noch deutlicher und ich fragte mich, für wen würde sich Jesus heute einsetzen: für die, die im Reichtum leben – oder für die Ausgebeuteten? Die Antwort ist klar.
Kann man die biblischen Verhältnisse so einfach übersetzen?
Ach, mit der Übersetzung beginnen überhaupt erst die Schwierigkeiten. Aber ein Theologe hat mir erklärt, die Bibel müsse sich immer realisieren, immer im Jetzt landen, sonst sei sie leer und tot. Das sagt auch Jesus selbst, wenn er erklärt: Ich bin mitten unter euch, wenn sich zwei oder drei in meinem Namen versammeln. Die Bibel ist kein Buch, das man liest und zuklappt. In dem Moment, in dem man sie liest, geschieht etwas. Die Heilsgeschichte kann in jedem Moment stattfinden.
Sie verklären den Supermarkt zu einem Tempel. Ist der Konsum unser heutiger Gott?
Eine Sache ist genauso interessant wie beunruhigend, wenn man das Neue Testament liest: Viele Szenen kann man fast eins zu eins umsetzen, seit zweitausend Jahren leben wir im gleichen System. Man fragt sich, was ist das für eine Gier und Kurzsichtigkeit, die uns daran hindert, ein würdevolles Zusammenleben zu finden. Für mich ist es ein Rätsel der menschlichen Existenz, warum wir in Ungleichheit und Ausbeutung leben, trotz unserer Intelligenz, Liebesfähigkeit und Gutwilligkeit.
Wie kann man aus diesem System ausbrechen?
Das Problem ist: Wie bringen wir das, was wir wissen und eigentlich richtig finden, mit dem zusammen, was wir tun? Wie Jesus sagt: Man kann die Schrift predigen, ohne nach ihr zu leben. Niemand kann sagen, dass er nicht wüsste, woher die Billigprodukte in unseren Läden kommen. Wir alle haben die besten Absichten, die wir auf Facebook kundtun. Der Kapitalismus ist nicht per se ein Ausbeutungssystem, sondern lediglich ein Verteilsystem. Das «System» sind ja wir selbst: Wenn wir morgen nur noch fair produzierte Tomaten kaufen und essen, dann liefert die Wirtschaft nur noch fair produzierte Nahrungsmittel. Schon allein mit unserem Konsumverhalten können wir die Welt verändern.
Inzwischen gibt es eine Trendwende. Viele Läden führen Fairtrade-Produkte. Doch sie sind teurer, so dass sie sich nicht alle leisten können.
Nein, das ist einer der populären Irrtümer. Fair-Trade-Produkte sind nicht teurer, sondern das Geld wird fairer verteilt. Die Tomaten, die Yvan Sagnet – unser Jesus – produziert, kosten den Konsumenten gleich viel wie die Tomaten, die die grossen Konzerne produzieren. Nur dass weniger bei der Mafia und mehr bei den Arbeitern ankommt.