Wenn Ex-US-Präsident Donald Trump sich in seinem Golfresort in Florida mit seinen Beratern zurückzog, fragte er diese oft: Was mobilisiert mehr – Waffen oder Abtreibung? Auch die Experten mit ihren vielen Umfragedaten wussten hier keine Antwort. Eines aber war für sie ein unumstösslicher Fakt: Beides ist starker populistischer Tobak, der die Menschen emotionalisiert.
Vor wenigen Wochen 2022 fuhr der Ex-Präsident die späte Ernte ein. Das von ihm mit drei erzkonservativen Richtern besetzte Oberste Gericht (Supreme Court) hob das seit 1905 geltende strenge Waffengesetz von New York auf. Und dank diesem Gericht wurde das seit beinahe 50 Jahre geltende nationale Recht auf Abtreibung, das sogenannte Grundsatzurteil Roe v. Wade, ausser Kraft gesetzt. Nun ist es jedem Bundesstaat freigestellt, eigene Abtreibungsgesetze zu verabschieden.
Wahlkampfschlager für Katholiken
Angefangen hat die Politisierung der Abtreibungsfrage in den 1970er-Jahren. Der Berater von Präsident Richard Nixon, Patrick Buchanan, flüsterte dem Präsidenten ein: Mit einer restriktiven Haltung zum Schwangerschaftsabbruch lasse sich die katholische Wählerschaft für die Wiederwahl des Republikaners Nixon gewinnen – bis dahin war diese loyal den Demokraten verbunden. Bereits eine Woche später trat der Präsident ans Mikrofon und verkündete seinen «persönlichen Glauben an die Heiligkeit des menschlichen Lebens – einschliesslich des Lebens des noch Ungeborenen.»
Dabei hatte Nixon lange Zeit ein sehr offenes Verhältnis zur Geburtenkontrolle und Abtreibung. Die berüchtigten Tonbänder, die mit der Watergate-Affäre öffentlich wurden, machte dies deutlich. Eigentlich sollte, so der Skandalpräsident, Abtreibung erlaubt sein, wenn es beim Sex von „Schwarz und Weiss“ zur Schwangerschaft kommt.
Eine Frau in der Schlüsselrolle
Richtig wahlentscheidend wurde das
Abtreibungsthema für Ronald Reagan. Als kalifornischer Gouverneur war er einer
der Ersten, als er bereits 1967 ein liberales Gesetz zum
Schwangerschaftsabbruch unterschrieb. Und er konnte sich 1980 darauf verlassen,
dass der Schutz des ungeborenen Lebens nicht nur für die Katholiken ein
Wahlkampfschlager war, sondern auch für die US-Evangelikalen. Das war zehn
Jahre zuvor keineswegs selbstverständlich.