Dank Vielfalt zur Innovation

Neue Kirchenordnung

Die Synode hat bei der Revision der Kirchenordnung beschlossen, die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Gemeinschaften in die Kantonalkirche zu schaffen. Mehr Vielfalt ist das Ziel.

Die Zahl der Kirchgemeinden im Kanton sinkt seit 2012 laufend. Zahlreiche Kirchgemeinden haben sich im Rahmen von KirchgemeindePlus zusammengeschlossen oder sich für eine Zusammenarbeit entschieden. Die Idee dahinter: Grössere Kirchgemeinden sollten eher dazu in der Lage sein, «ein vielfältiges und vielgestaltiges Gemeindeleben zu entwickeln.»

Zuletzt haben per 1. Juli die Kirchgemeinden Kyburg und Illnau-Effretikon fusioniert. Per Januar 2022 haben sich in der Kirchgemeinde Weinland-Mitte fünf Kirchgemeinden zusammengeschlossen, im Knonauer Amt waren es auf Anfang Jahr gar deren neun. Dättlikon und Pfungen sowie Zollikon-Zumikon sind gerade dabei, einen Zusammenschluss zu realisieren.

Gemeinschaften ohne Territorium

Die Beispiele zeigen: Der Reformprozess der reformierten Kirche hält an – sowohl organisatorisch als auch thematisch. Wie der Umbau vonstatten gehen soll, war auch das grosse Thema in der Synode. In den beiden Sitzungen vom 28. Juni und 12. Juli 2022 hat sie die aktuelle Teilrevision der Kirchenordnung debattiert und beschlossen. Wenn dagegen nicht das Referendum ergriffen wird, tritt die revidierte Kirchenordnung am 1. Januar 2023 in Kraft.

Zu heftigen Diskussionen Anlass gab insbesondere der Umgang mit innovativen kirchlichen Gemeinschaften, die nicht an ein bestimmtes geografisches Gemeindegebiet gebunden sind. Die bisherige Kirchenordnung kannte zusätzlich zu den örtlichen Kirchgemeinden nur drei solcher «Kirchgemeinschaften» als Rechtssubjekte und Empfängerinnen von Unterstützungsleistungen der Landeskirche: die französisch-, die italienisch- und die spanischsprachige Kirchgemeinschaft.

Profiliert und vernetzt

Die von der Synode am 12. Juli abgesegnete neue teilrevidierte Kirchenordnung sieht nun aber im Art. 177 vor, dass die Reformierte Zürcher Kantonalkirche auch andere evangelisch-reformierte Gemeinschaften anerkennen und unterstützen kann. Voraussetzung ist, dass sie sich an den «theologischen und rechtlichen Grundlagen der Landeskirche ausrichten».

Der abgeänderte Artikel ist auf innovative Gemeinschaften gemünzt, etwa sogenannte Profilgemeinden, Themen- oder Netzwerkkirchen, die sich einem bestimmten, verbindenden Thema widmen. Als Beispiele zur Sprache kamen in der Debatte auch Gemeinschaften mit eher regionalem Bezug wie das Zürcher Stadtkloster oder die Streetchurch.

Vier Jahre Probezeit

Für die Anerkennung entscheidende Voraussetzung ist, dass solche Gemeinschaften einen Beitrag zum Gemeindeaufbau leisten oder für die Vielfalt in der Zürcher Kantonalkirche bedeutsam sind, zum Beispiel weil sie wesentliche kirchliche oder sprachliche Gemeinsamkeiten bündeln. Die Kriterien, an welchen die Bedeutung gemessen wird, sind: Die Gemeinschaft muss mindestens vier Jahre lang kirchgemeindeübergreifend gewirkt und mindestens 150 Mitglieder haben.

Antragstellende müssen zum Zeitpunkt des Antrags auf Anerkennung also bereits eine gewisse Erfolgsgeschichte vorweisen können, Initiativen in der Projektphase oder zeitlich befristete Kampagnen sind folglich ausgeschlossen. In der ursprünglichen Formulierung des Artikels waren sogar zehn Jahre Bestand und eine Tätigkeit auf dem ganzen Kantonsgebiet gefordert. Aber Innovation zeichnet sich ja bekanntlich dadurch aus, dass sie relativ neu ist, weshalb eine Mehrheit der Synodalen einer Verkürzung des Erfahrungshorizontes auf vier Jahre zustimmte.

Willkommenskultur für Neulinge

Den Entscheid über die Anerkennung fällt die Synode. Danach sind die Kirchgemeinschaften Körperschaften der Landeskirche mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die neu geschaffene Möglichkeit zur Aufnahme zusätzlicher Gemeinschaften geht zurück auf ein Postulat aus dem Jahr 2019 von Bernhard Neyer aus Stäfa und 62 Mitunterzeichnenden. Der Kirchenrat sollte prüfen, wie die Bildung von Kirchgemeinschaften «begleitet und personell, finanziell, inhaltlich, ideell unterstützt werden kann».

Neyer hatte in seinem Postulat aber auch eine ganz allgemeine «Willkommenskultur für Neues» gefordert. Die Synode diskutierte darum auch über die Frage, wie innovative kirchliche Initiativen, die eher Projektcharakter haben und nicht unter die Definition einer Kirchgemeinschaft fallen, gefördert werden könnten.

Fortsetzung folgt

Kirchenrätin Margrit Hugentobler wies in diesem Zusammenhang auf den neuen Art. 155 der Kirchenordnung hin, welcher gezielt «die kirchliche Vielfalt fördern will». Auch sei es ein wesentliches Legislaturziel, die Förderung von Innovationen voranzutreiben. Unter anderem sollen «kleinere, befristete Formen des kirchlichen Lebens» künftig einen Innovationskredit beanspruchen können.

So zumindest sieht es ein Innovationskonzept vor, das die Kantonalkirche derzeit in einem partizipativen Prozess erarbeitet und das im Winter der Synode vorgestellt werden soll. Die reformierte Kirche des Kantons Zürich scheint das alte Postulat «semper reformanda» Ernst zu nehmen.