Antisemitische Vorfälle nehmen seit Jahren zu. Versagen die Strategien der Prävention und der Bekämpfung?
Diese Frage muss man sich stellen, aber von einem generellen Versagen kann man nicht sprechen. Unsere Stiftung ist auch in der Präventionsarbeit tätig und immer wieder kommen beispielsweise Schulen auf uns zu, die nicht genau wissen, welche Angebote es überhaupt gibt. Zwar werden die Themen Rassismus und Antisemitismus im Lehrplan erwähnt, aber eine detaillierte Übersicht zu den Angeboten scheint zu fehlen. Insofern sehe ich da eine Lücke, das Thema braucht einen festen Platz im Lehrplan
«Hitler hätte euch alle vergasen sollen», war ein Spruch, den sich die etwa zehn, zwölf Jahre alten Kinder einer jüdischen Fussballmannschaft von einem Kind der gegnerischen Mannschaft anhören mussten. Vorfälle wie dieser, über den 20 Minuten berichtete, schockieren.
Solche Sprüche hören Kinder typischerweise von Erwachsenen, bevor sie sie wiedergeben. Deshalb denke ich dass neben den Schulen vor allem wir Erwachsene in der Pflicht stehen – und zwar bei rassistischen Sprüchen im Allgemeinen.
Müsste die Präventionsarbeit bereits in der Primarschule einsetzen?
Definitiv. Das Problem ist, dass der zweite Weltkrieg erst ab der Sekundarstufe richtig durchgenommen wird. Trotzdem gibt es auch Bildungsmaterial für jüngere Kinder. Unsere Partnerstiftung hat etwa ein Lehrmittel, das schon in der Kita zum Tragen kommt. Da geht es dann um Toleranz allgemein. Aber es gibt auch Lehrmittel für die Primarschule. Wir erhalten viele Anfragen von Lehrern, die an ihre Grenzen stossen und Unterstützung bei dem Thema suchen.
Wie verbreitet ist Antisemitismus unter Kindern?
Wohl genauso wie bei Erwachsenen, wobei uns keine Studie bekannt ist, die das quantifizieren würde. Kürzlich war ich an einer Filmvorführung eines Films über Anne Frank. Bei der anschliessenden Diskussion sagte ein Jugendlicher, Juden seien ja selbst schuld am Holocaust, sie seien einfach zu reich geworden. Oft ist es Kindern zu wenig bewusst, welche Vorurteile sie mit solchen Aussagen wiedergeben. Aber nochmals: Kinder sind oft selbst Opfer ihres Umfeldes und es ist an uns Erwachsenen, sie auf die Konsequenzen solcher Aussagen aufmerksam zu machen.