Gegen braune Flecken in der gelben Wand

Fussball

Daniel Lörcher fordert, dass sich Vereine nicht nur vom Antisemitismus einzelner Fans distanzieren, sondern ihn aktiv bekämpfen. Er tut es im Dienst von Borussia Dortmund.

Borussia Dortmund hatte ein Problem. Und das Problem war braun. Offensichtlich wurde es zum Beispiel, als im Sommer 2012 im Stadion ein Banner entrollt wurde, auf dem sich Fans solidarisch mit einer Neonazi-Kameradschaft erklärten, die soeben verboten worden war.

Unrühmliche Tradition

Der BVB sei «Meister im Wegschauen», titelte die Berliner Zeitung «Taz». Unter dem jetzigen Liverpool-Trainer und Lutherbibel-Botschafter Jürgen Klopp hatte der Verein die deutsche Meisterschaft verteidigt und die braunen Flecken in der gelben Wand ignoriert, obwohl der Rechtsextremismus in Dortmund eine unrühmliche Tradition hatte. 

Erfolg und Verantwortung

Der Verein Borussia Dortmund hat über 150'000 Mitglieder. Dazu existieren nahezu 1000 offiziell eingetragene Fanclubs. Zuletzt wurde Borussia Dortmund 2011 und 2012 unter dem Trainer Jürgen Klopp Meister. In der vergangenen Saison gewann das Team den Pokal.

In einem aktuellen Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel bezeichnet BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den Kampf gegen Rassismus «als eine unserer vordringlichsten gesellschaftlichen Aufgaben». Angesprochen auf arabische Staatsfonds, die den Fussball mit ihrem Ölgeld fluten, schliesst er eine Zusammenarbeit mit Sponsoren, die «sich den Untergang Israels auf die Fahnen schreiben», kategorisch aus: «Das geht für uns aufgrund unserer Geschichte, aufgrund unseres Kampfes gegen Antisemitismus und unserer engen Partnerschaft mit Yad Vashem nicht.» 2019 hat Borussia Dortmund den Ausbau der Holocaust-Gedenkstätte in Israel mit einer Million Euro unterstützt.

Die Borussenfront war zwar längst verboten, doch tauchten die Symbole der rechtsextremen Hooligans immer wieder auf. Neonazis rekrutierten ihren Nachwuchs mit Vorliebe bei den Ultras. Das sind jene Fans, die für die aufwendigen Choreografien verantwortlich sind und im über 80 000 Menschen fassenden Stadion für Stimmung sorgen.

Tiefpunkt als Wendepunkt

Daniel Lörcher zitiert den Titel der «Taz» gleich selbst, als er in den Räumen der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich auf Einladung der Augustin-Keller-Loge von seiner Arbeit als Leiter Corporate Responsibility bei Borussia Dortmund berichtet. «Diese negative Schlagzeile zeigt uns, woher wir kommen.»

Erstmals tat damals Vereinspräsident Reinhard Rauball den Skandal nicht als Ausrutscher ab. Er sei «nicht der Auffassung, dass dies ein Einzelfall ist», sagte er, als er mit ein paar Tagen Verspätung mit Fanbeauftragten, Polizei, Politik und Ordnungsdienst vor die Presse trat.

2013 wurde Lörcher vom BVB als Fanbetreuer angestellt. Seither verantwortet er die Antidiskriminierungsarbeit beim börsenkotierten Bundesligisten. Der 36-Jährige war selbst lange Mitglied bei einer Ultragruppe. Das Stadion sei ein Ort, an dem unterschiedlichste Menschen zusammenfänden, betont er. «Die Liebe zum Verein ist der Kitt.»

Vielleicht trug das Selbstbild dazu bei, dass die vielen vernünftigen Fans wegschauten, als sich die rechte Szene in der Kurve einnistete. Das Image des Vereins, der sich «Echte Liebe» auf die Fahnen schreibt, sollte keinen Kratzer bekommen.

Erinnerung und Zusammenarbeit

Lörcher schaute nicht weg. Und er verlangte vom Verein mehr als Medienmitteilungen, in denen er sich vom Rassismus einzelner Fans distanzierte und Vielfalt und Toleranz beschwor. Lörcher organisiert im Dienst der Borussia Erinnerungsreisen auf den Spuren von im Zweiten Weltkrieg deportierten und ermordeten Juden, die einen Bezug zu Stadt und Verein hatten.

Zudem hat Lörcher mit Fachleuten anderer Vereine das Projekt «Changing the Chants» gegen Antisemitismus in europäischen Fussballstadien entwickelt. Viele Clubs von London bis München leisteten vorbildliche Arbeit, sagt Lörcher. «Unter uns gibt es keine Konkurrenz, wir lernen voneinander.

Bierdeckel gegen Rassismus

Viele Initiativen gegen Diskriminierung, die Lörcher unterstützt, gehen auf Ideen aus der Fankurve zurück. «Wir wollen jenen helfen, welche die Werte des Vereins mit Leben füllen.» Sein Einsatz scheine «die rechte Szene ordentlich zu nerven», bilanzierte Lörcher schon kurz nach Amtsantritt. Der Verein verschärfte die Verhaltensregeln im Stadion. Kleidermarken, die in der Neonaziszene getragen werden, sind verboten. Ordner werden darin geschult, rechtsextreme Codes zu erkennen, die Fans ermutigt, rassistische Zwischenrufe zu melden.

Das Problem ist weder aus dem Fussball noch aus der Gesellschaft verschwunden. «Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich», warnt Lörcher. Er fordert, dass Fussballclubs «keinen Weckruf mehr nötig haben», um Erinnerungsarbeit zu leisten und den Antisemitismus zu bekämpfen. Und zwar nicht nur im Stadion. Lörcher hat in Dortmunder Kneipen auch schon einmal Bierdeckel verteilt mit dem Slogan: «Kein Bier für Rassisten». Auf die Rückseite druckte er Argumente gegen Stammtischparolen.