Von Montag bis Freitag die gleiche Tour

Früh am Morgen

Wenn Bern noch schläft, trägt Luis Martinez zuerst Zeitungen aus und putzt dann Schulanlagen. Er mag seine Arbeit am frühen Morgen, wünscht sich aber mehr Respekt dafür.

Noch ist der Westen von Bern nicht richtig erwacht. Die Hochhäuser ragen mit geschlossenen Rollläden in den fahlen Morgenhimmel. Eine Amsel testet ihren Frühlingsgesang. Eine rot-weisse Katze schleicht durch das Quartier.

In der Turnhalle der Schulanlage Kleefeld brennt bereits Licht. Um 6 Uhr fängt Luis Martinez hier seinen Putzdienst an. Zuerst reinigt er den Boden rund um das Lehrschwimmbecken im Keller, dann nimmt er sich zwei Garderoben mitsamt den Duschen vor, damit sie sauber sind, wenn um 8 Uhr die ersten Klassen in die Turnstunde kommen.

Schliesslich wischt er noch den Boden in der Turnhalle. Von Montag bis Freitag, von 6 bis 9 Uhr, immer diesen «genau gleichen Cher», wie der 54-Jährige selbst sagt.

Gern ein Frühaufsteher

Luis Alfonso Martinez Castro, wie er mit vollem Namen heisst, ist seit 3.45 Uhr auf den Beinen. Bevor er Schulanlagen reinigt, hat er in seinem Wohnquartier im Osten von Bern schon Zeitungen ausgetragen.

So früh aufstehen zu müssen mache ihm nichts aus. «Und viel arbeiten auch nicht», sagt der gebürtige Mexikaner. Das alles erzählt er in einer charmanten Mischung aus Spanisch, Deutsch und Dialekt. Vor 15 Jahren kam er nach Bern. Zuvor lebte er zusammen mit seiner Frau, einer Schweizerin, in Mexiko-Stadt.

Ordnung muss sein

Routiniert prüft Luis Martinez den Geräteraum in der Turnhalle, rückt hier ein Trampolin zurecht und dort einen Stapel Matten. An der Wand hängen Fotos, auf denen zu sehen ist, wie das Material richtig weggeräumt gehört. «Aber nicht alle machen es so», sagt Martinez und seufzt. Er habe es gern genau und ordentlich, sagt er. «Wenn ich meine Arbeit mache, dann richtig.»

Viel Zeit für seine frühmorgendliche Runde hat Martinez nicht. Er eilt von Raum zu Raum. Wenn die Schule losgeht, muss das Gröbste erledigt sein. Man sieht ihm an, dass er täglich harte körperliche Arbeit erledigt. Er hat einen muskulösen Oberkörper. «Früher habe ich Bodybuilding gemacht», sagt er. Heute joggt er und macht bei einer Volkstanzgruppe mit. Noch hat Luis Martinez nicht gefrühstückt. Er isst im Tram etwas, wenn er zwischen seinen unterschiedlichen städtischen Einsatzorten pendelt. «Viel arbeiten ist gut», sagt er.

Es ist still in der Schule. Nur die Sohlen von Martinez’ Schuhen quietschen leise, als er durch den Gang zu den Garderoben geht. Auf dem Boden vor dem Papierkorb liegen gebrauchte Handtücher. Jemand hat eine klebrige Flüssigkeit auf den Boden geschüttet. «Wahrscheinlich Cola», sagt Martinez.

Zur Ruhepause ins Tram

Eigentlich sind Getränke und Essen in den Schulgarderoben verboten. Zum ersten Mal an dem Morgen lächelt Luis Martinez nicht. «Für mich ist Deutsch schwierig. Ist es für andere Leute schwierig, einen Papierkorb zu treffen?» Es ärgert ihn, dass seiner sorgfältig gemachten Arbeit vom Vortag kein Respekt entgegengebracht wird.

Um 9 Uhr ist die Schicht von Luis Martinez im Kleefeld zu Ende. Aber sein nächster Einsatzort wartet bereits. Ausruhen könne er im Tram, sagt er. «Oder am Sonntag.» Dann schlafe er manchmal bis 11 Uhr, erzählt er und lacht.