Schwerpunkt 24. März 2016, von Thomas Illi

Briefe, welche die Welt verändert haben

Paulus

In fast jedem Hochzeitsgottesdienst sind Sätze von ihm zu hören, zugleich wird er von vielen als Moralist abgelehnt: Paulus polarisiert. Wir zeigen, warum.

«Paulus schrieb an die Irokesen: Euch schreib ich nicht, lernt erst mal lesen.» Für viele Menschen meiner Generation bedeuten die Nonsens-Zweizeiler des deutschen Komikers Otto Waalkes – beziehungsweise seines virtuosen Gag-Schreibers, des Schrift­stellers Robert Gernhardt – den ersten Kontakt mit dem urchristlichen Apostel. Mit jenem eifrigen Kon­vertiten, der die antike Welt mit seinen Missionsbriefen veränderte. Paulus von Tarsus als eine Witzfigur? Mitnichten! Aber er ist eine derart facettenreiche Persönlichkeit, dass man sich ihr durchaus über Comedy und Comic nähern kann – oder über eine Fotostory, wie sie «reformiert.» entwor­fen hat. Sie basiert auf Bildern aus dem Film «Die Bibel: Paulus», den der Regisseur Roger Young 2001 gedreht hat.

Schillernd. Paulus selber schlüpfte in seinem zweiten Brief an die Christen von Korinth in die Rolle eines «Narrenredners», als er die Botschaft, die ihm so wichtig war, mit Ironie verkündete. Paulus war ohne Zweifel schon nach den Massstäben seiner Zeit ­eine schillernde, umstrit­tene Figur. Aber ihm kommt das Verdienst zu, einer wenig beachteten jüdischen Sekte den Weg zur glo­balen Bewegung geebnet zu haben. Ohne den als ar­rogant, hochmütig und frauen­feindlich verschrienen Paulus hätte das Christentum kaum ein Imperi­um wie das Römische Reich erobert. Es wäre eine Randnotiz der nahöstlichen Regionalgeschichte ge­blieben. Und wir würden heute nicht die Auferstehung des Wanderpredigers Jesus nach dessen Folter­tod am Kreuz als wichtigstes christliches Fest feiern.

Theologisch. Paulus ver­kün­dete die Ereignisse nicht nur, sondern er legte sie aus. Er lehrte, dass Jesus durch sein Sterben die Menschen erlöst habe, und dass auch ihnen durch ihren Glauben die Aufer­ste­hung gewiss sei. Und zwar nicht allein den Juden, sondern allen Menschen, die an das Heilsgeschehen glauben. Als «Theologia crucis», als «Theologie des Kreuzes», war die paulinische Botschaft auch prägend für Reformator Martin Luther – und schrieb so erneut Weltgeschichte.