Mit dem Handy auf den Spuren der Hugenotten

Hugenottenweg

Vor 300 Jahren ertranken 111 hugenottische Flüchtlinge bei Lyss in der Aare. Ihre Geschichte können Interessierte nun mit einer App erwandern.

Vom reissenden wilden Strom, der die Aare vor der Gewässerkorrektur war, ist heute nicht mehr viel übrig. Ein noch recht natürliches Überbleibsel ist der alte Aarelauf zwischen Aarberg und Lyss. Und genau hier ist es, wo das grösste dokumentierte Schiffsunglück der Schweiz passierte: Vor über 300 Jahren, am 5. September 1678, ertranken 111 hugenottische Flüchtlinge in der Aare bei Lyss. Heute bietet sich dieser Aareabschnitt für eine idyllische Wanderung an. Und auf dieser kann das Schiffsunglück nun dank modernster Technik eindrücklich nacherlebt werden. 

Der Weg von Aarberg nach Lyss entlang der Aare gehört zum Kulturweg «Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser», den der Europarat initiiert hat. Der Weg führt von Italien und Frankreich durch die Schweiz nach Deutschland. Letztes Jahr wurde der Schweizer Teil fertiggestellt («reformiert.» berichtete). Seither ergänzt die Stiftung Via, die in der Schweiz für den Weg verantwortlich ist, diesen mit weiteren Angeboten. Kürzlich lancierte der Verein etwa einen Stadtrundgang in Zürich («reformiert.» berichtete).

Zeitreise mit augmented reality

Die neuste Ergänzung ist ein sogenannter Visioguide. Eine App, die mittels Augmented-reality-Technologie und verschiedener audiovisueller Elemente über 15 Stationen von Aarberg nach Lyss führt. «Mit dem Angebot wollen wir ein breiteres Publikum ansprechen. Es eignet sich für jedes Alter, für Familien, Betriebsausflüge, KUW- und Schulklassen», sagt Florian Hitz, Projektleiter der Stiftung Via. 

Die App erzählt etwa in Filmen, Musik, Bildern oder Animationen einerseits das genannte Schiffsunglück nach und macht es visuell erlebbar. So können die Wandernden mithilfe der App beispielsweise die Fahrt der Flüchtlinge auf ihren überfüllten Weidlingen auf der Aare beobachten. Des Weiteren werden auch die Einflüsse der Hugenotten auf Kultur und Wirtschaft in der Schweiz thematisiert.

Die Hugenotten legten den Grundstein für den gewerblichen Gemüseanbau in der Schweiz.
Florian Hitz, Projektleiter der Stiftung Via

Letzteres sei besonders für das Seeland spannend, sagt Hitz. Dass die Hugenotten die Uhrenindustrie in der Schweiz prägten, wüssten viele Leute. Weniger bekannt sei aber ihr Einfluss auf die Landwirtschaft. «Die Hugenotten brachten viele Gemüse, die nördlich der Alpen noch unbekannt waren, und legten in Genf den Grundstein für den gewerblichen Gemüseanbau in der Schweiz», sagt er. So serviert denn auch das Hotel-Restaurant Weisses Kreuz in Lyss ein Gericht mit hugenottischen Spezialitäten: Kardy-Gratin, Langeole-Wurst und saisonales hugenottisches Gemüse wie Bohnen, Krautstiele oder Spargeln – ein krönender Abschluss der Wanderung.

Das Thema Flucht bindet Via aber auch in den aktuellen Kontext ein. Hitz hat selber lange mit Flüchtlingen gearbeitet und in Schulklassen zum Thema Flucht informiert und sensibilisiert. «Irgendwann ist mir klar geworden, dass die Flüchtlinge eigentlich die Fachleute für dieses Thema sind», sagt er. So entwickelte er zusammen mit drei Flüchtlingen ein Konzept für Führungen. Auf diesen berichten die geflüchteten Führer und Führerinnen von ihren persönlichen Erlebnissen, abgestimmt auf den Visioguide. «So können die Besucher und Besucherinnen Flucht und Integration als aktiven Bericht erleben», so Hitz.

Die Visioguide-App «Naufrage 05.09.1687» wird von Bund und Kanton Bern im Rahmen der Neuen Regionalpolitik unterstützt, Projektpartner sind die Einwohnergemeinden Aarberg und Lyss sowie Tourismus Biel Seeland. Sie lässt sich kostenlos im Apple Store oder bei Google Play herunterladen. Führungen für Gruppen können bei der Stiftung Via gebucht werden. Alle Infos unter www.via-huguenots.ch/de/visioguide.