Recherche 28. Juli 2020, von Marius Schären

Schönes Wandern zur grossen Katastrophe

Geschichte

Flüchtlingsboote gab es einst auch in der Schweiz. Das grösste Schiffsunglück passierte in einer Idylle, die heute zu Ausflügen einlädt.

Es ist das «Zuckerstädtchen»: In Aarberg produziert die Schweizer Zucker AG die einheimische Süsse. Idyllisch süss wirkt auch das mittelalterliche Städtchen selbst, mit grossem Stadtplatz, alter Holzbrücke und der leise dahinziehenden, kleinen Alten Aare.

Die Landschaft lädt ein zu einer gemütlichen Wanderung mit geschichtsträchtigem Hintergrund: Der Abschnitt zum nahe gelegenen Lyss ist Teil des internatio­nalen Kulturweges «Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser». Und gerade in der Nähe des Zuckerstädtchens liegt der Schauplatz ­eines Dramas.

Flüchtende Protestanten

Auf einer Tafel bei der Kirche steht, dass 1658 in Frankreich die Reli­gionsfreiheit eingeschränkt wurde. Zehntausende Hugenotten, wie die französischen Protestanten hiessen, verliessen ihre Heimat und zogen durch die Schweiz als Transitland.

Auf rund 60 000 Flüchtlinge wird die Zahl geschätzt. Von diesen starben allein am 5. September 1687 111 in den Aare-Fluten bei Aarberg.

Reisen auf Strassen und Wegen war damals beschwerlich, der Wasserweg wurde vorgezogen. Doch den Hagneckkanal gab es noch nicht, die heutige Alte ­Aare war der Hauptfluss, der von Aarberg nach Büren durchs Seeland mäandrierte. Die flüchtenden Hugenotten befuhren diesen Flussabschnitt mit zwei überfüllten und fatalerweise zusammengebundenen Weidlingen, offenen Holzkähnen, die rund 13 Meter lang und gegen 3 Meter breit waren. Eines der Boote fuhr auf einen Baumstrunk auf, zerbrach und brachte auch das andere zum Kentern. Das Schiffsunglück gilt bis auf den heutigen Tag als das grösste in der Schweiz.

Dieses Teilstück des Hugenottenweges führt vom Bahnhof Aarberg meist durch lauschigen Auenwald bis Lyss. Informiert man sich über die Geschichte auf den Stelen, kann das gut zwei Stunden dauern. Die Zeit lohnt sich.

www.via-huguenots.ch