Ein Meister des Lichts und der Farben

Kunsthandwerk

Das Atelier für Glasmalkunst Halter prägte die Schweizer Glasmalerei über hundert Jahre lang. Mit Martin Halter wird die Firmengeschichte zu Ende gehen. Ein Besuch im Atelier.

Einem Zufall ist es zu verdanken, dass der Berner Martin Halter Glasmaler wurde. Sein Grossvater Louis Halter wuchs in der Zeit um 1900 zum Teil im städtischen Waisenhaus von Strassburg auf, wie in dessen Lebenserinnerungen nachzulesen ist. Fasziniert vom farbigen Glas, wollte er Glasmaler werden. Doch der Waisenhausdirektor schickte ihn in eine Lehre als Herrenhemd-Zuschneider. Nach eineinhalb Tagen hörte der Jugendliche jedoch bereits wieder auf. 

Entschlossen, seinen Traumberuf zu erlernen, begab er sich zur nahe gelegenen Glasmalerei Ott Frères. Vor der Bürotür meldete sich zwar sein schlechtes Gewissen und er wollte umkehren. Doch da stand plötzlich Meister Ott persönlich vor ihm. In der Folge setzte sich dieser beim Waisenhausdirektor für den Berufswunsch des jungen Louis ein – und schon am nächsten Tag konnte dieser die Glasmalerlehre antreten.

160 Jahre Passion für Glas

Diese Geschichte fasziniert Martin Halter. «Es ist so schicksalshaft, wie damals die Weichen gestellt wurden», sagt er. Die Leidenschaft für seinen Beruf gab Louis Halter an seinen Sohn Eugen und an seinen Enkel Martin weiter. Die Drei übten ihren Beruf bis heute zusammengezählt 160 Jahre lang aus, 60 davon fallen auf Martin Halter. Wobei: Mittlerweile sei sein Beruf nur noch sein Hobby, was es aber immer schon auch gewesen sei, sagt der 78-Jährige.

Das 1916 gegründete Atelier für Glasmalkunst Halter befindet sich am untersten Ende der Berner Aareschlaufe direkt am rechten Ufer. Einst arbeiteten hier auf über 240 Quadratmetern fünf Glasmaler. Heute benutzt Halter für sich noch zwei kleine Räume und einen grösseren. Dieser hohe Raum ist das eigentliche Atelier. Es ist bis zur Decke gefüllt mit Schränken und Regalen voller Mappen, Kartons, Papiere, Bücher und Ordner. Zwei grosse, nach Norden gerichtete Fenster liefern bestes Tageslicht für die Auswahl der Glasfarben. Gleich davor erstreckt sich eine grosszügige Arbeitsfläche.

Der Laie soll etwas aus dem Motiv heraus lesen können.
Martin Halter, Glasmaler

Neben privaten Aufträgen hat Halter während seiner Laufbahn auch viel für Kirchen gearbeitet, vor allem restauriert. In einem dicken Ordner hat er alle Restaurierungen fein säuberlich dokumentiert. Halter blättert darin. Wenn er von den Projekten erzählt, hat man den Eindruck, er arbeite noch an ihnen. Ohne überlegen zu müssen, berichtet er von den Besonderheiten und speziellen Herausforderungen der jeweiligen Fenster. Das Schwierigste sei eine bemalte Wappenscheibe aus dem 17. Jahrhundert gewesen, die durch einen Vandalenakt in hundert Stücke zerbrochen war. Halter klebte die Teile wieder passgenau zusammen und fügte zur Verstärkung ein paar Bleieinfassungen ein, so dass man heute nur noch eine Handvoll einstiger Bruchstücke erahnen kann – das Meiste sieht aus wie neu. «Beim Restaurieren lässt sich die kunsthandwerkliche Fertigkeit eines Glasmalers am ehesten messen», meint er.

Hört man Martin Halter zu, spürt man in seiner Arbeitsmoral eine grosse, weitsichtige Sorgfalt. «Die Glasmalerei ist eine disziplinierte Arbeitstechnik», sagt er denn auch. Nur wenn jeder Schritt stimme, könne auch der nächste und übernächste sauber ausgeführt werden. «Materialgerecht» müsse man arbeiten, betont er immer wieder. Das bedeutet, dass man vom Sujet über den Entwurf und die Fertigung bis zur Montage des Fensters den Eigenschaften von Glas Rechnung trägt, damit das Werk nachhaltig Bestand hat – ästhetisch, funktionell und auch, was die Wartung betrifft. 

Der Fachmann mahnt: Oft fehle die Wartung der Fenster im Pflichtenheft der Kirchen. Doch alle 20 Jahre sollten sie kontrolliert und gereinigt werden. Sonst würden die Oberflächen korrodieren und dabei matt werden und schlimmstenfalls trete sogenannter Glaslochfrass auf. Da lasse sich dann nichts mehr tun. «Das ist schade für dieses Kulturgut», sagt Halter. 

Spezialität Rahmensprengen

Seit Kurzem ist in einer Kapelle auf dem Chasseral eine neuangefertigte Glasscheibe zu bewundern, welche Martin Halter entworfen und das Glasatelier Marc Boder – ein früherer Schüler Halters, mit welchem er heute oft eng zusammenarbeitet – aus Grenchen gefertigt hat. «Bei der Wahl des Motivs gehe ich jeweils von der Symbolik aus. Es ist wichtig, dass der Laie etwas daraus herauslesen kann», sagt er. 

Das kleine farbenfrohe Fenster zeigt vor einem angedeuteten Jurarücken Osterglocken als Symbol für die Auferstehung. Die Blumen mit ihren schwungvollen, plastisch wirkenden und leuchtend gelben Blüten durchbrechen die Geraden einer dahinter erscheinenden flächigen Kreuzform. Dieses Rahmensprengen ist Halters Markenzeichen – und bei diesem Fenster kann man auch das als Sinnbild für die Auferstehung verstehen.