Eine Blume als Botschafterin von Pfingsten

Garten

Sie ist kein Rosengewächs, obwohl sie so heisst und aussieht: die Pfingstrose. Zu Besuch im Päoniengarten von Katharina Shepherd, wo diese Blume nicht nur zu Pfingsten blüht.

Pfingsten ist das christliche Fest des Heiligen Geistes, und die dazugehörige liturgische Farbe ist Rot. Rot wie die Pfingstrose, die so heisst, weil sie meist gerade zur Pfingstzeit blüht und mit ihrer üppigen, aber eher kurzlebigen Pracht und ihrem Duft Auge und Nase erfreut. Botanisch korrekt heisst die Pflanze Päonie – und ist alles andere als «nur» rot, wie sich bei einem Rundgang durch den Päoniengarten von Katharina Shepherd in Sigriswil zeigt. 

In allen möglichen Farben 

Die Aussicht vom hoch gelegenen Dorf ist beeindruckend: Geradeaus südlich ragt die mystische Pyramide des Niesens in den grau bewölkten Himmel, ihm zu Füssen breitet sich der Thunersee aus, breit umgeben von einem Gürtel satten Frühlingsgrüns. Soeben hat es geregnet, die Päonien im Garten sind schwer vom Wasser, an den Blüten und Blättern glänzen Perlen. 

Da leuchten Pfingstrosen in zartem Rosa, andere in Weiss, kräftigem Rot, cremefarben, leuchtend gelb oder grünlich; Zuchtformen wachsen neben wilden Arten, und solche mit gefüllten Blüten prunken neben ungefüllten, aber ebenso reizvollen Exemplaren. 

Wiederum andere zeigen vorerst nur die geschlossenen Knöpfe. «Das sind die klassischen Pfingstrosen, die spät blühen, also meistens um Pfingsten herum», sagt Katharina Shepherd. Wer mit ihr durch den Garten wandelt, erfährt: Päonien gibt es als Stauden, als verholzende Sträucher oder als Mischform. Wild kommen erstere unter anderem in Südeuropa vor, im Balkan und im Mittleren Osten. Zweitere haben ihren Ursprung in Ostasien; in China gilt die Päonie als kaiserliche Blume, und in Japan steht sie ebenfalls in hohen Ehren.

Diese Blumen pflegen zu dürfen, ist mir eine immense Freude.
Katharina Shepherd Päonienliebhaberin und Tuschmalerin

Katharina Shepherd entdeckte ihre Affinität zur Päonie in Japan, wo sie zehn Jahre als Zenschülerin lebte und sich zur Tuschmalerin ausbilden liess. Jeweils im Winter besuchte sie in einem Shinto-Schrein in der einstigen Hauptstadt Kamakura eine Päonien-Ausstellung, die sie bezauberte und ihr «wie ein Wintermärchen» vorkam. Vollends der Faszination dieser edlen Blume erlag sie, als sie von ihrer japanischen Tuschmallehrerin zur Geburt ihrer Tochter ein Päonienbild erhielt. Das Kind war just am Pfingstsonntag zur Welt gekommen. 

Gut für Insekten 

1996 liess sich die Familie in Sigriswil nieder. Hier betreiben Paul und Katharina Shepherd in familiärem Rahmen ein Kurszentrum für Meditation und Tuschmalerei, inmitten des üppigen, von Anfang April bis Mitte Juni blühenden Päoniengartens. «Seit wir in der Schweiz an südlicher Hanglage des Thunersees wohnen, fanden über 200 verschiedene Stauden- und Strauchpäonien den Weg in unseren Garten», so Katharina Shepherd auf der Website. «Sie bewundern und pflegen zu dürfen, ist mir eine immense Freude.» 

Besonders am Herzen liegen ihr jene Arten, wie sie in freier Natur wachsen. Teilweise kämen sie nur noch an wenigen Wildstandorten vor und müssten unbedingt erhalten werden, sagt sie. Wichtig seien sie auch für Insekten und als Grundlage für neue Züchtungen. 

Natürlich kommt die fast magische Blume auch in der japanischen Dichtung vor. In deutschen Haiku-Übersetzungen findet sie sich jedoch oft nicht als Päonie, denn diese Bezeichnung stammt aus dem Griechischen. Pfingstrose? Ungeeignet, denn das christliche Pfingsten passt nicht zum Shintoismus und Buddhismus in Japan. Die Lösung: Bauernrose. Dies ist der Populärname der Gemeinen Pfingstrose, einer Art der Päoniengewächse.

www.paeoniengarten.com