Der Ball rollt für den Frieden

Dialog

Der traditionelle Match zwischen  dem FC Kantonsrat Zürich und dem FC Religionen begann auf ungewohnt ernste Art und wurde immer fröhlicher. Dazwischen gewannen die Religiösen 4:1.

Einzeln oder in kleinen Gruppen laufen die rund 25 Spieler und zwei Spielerinnen aufs Fussballfeld, grüssen einander, plaudern. Manche sind in Gedanken noch bei der Arbeit, die bei den meisten eben erst endete. Bevor es losgehen kann, sind Transfers nötig. Ohne zwei Leute vom FC Religionen bringt der FC Kantonsrat wegen Absagen keine Elf zusammen. 

Dass man sich aushilft, ist selbstverständlich. Doch Captain Tobias Langenegger weiss auch, dass seiner Equipe nach Spielbeginn nichts mehr geschenkt wird: «Als ich das erste Mal gegen den FC Religionen antrat, dachte ich, es würde ein gemütliches Spiel», erinnert sich der SP-Kantonsrat. «Weit gefehlt! Die Kickerinnen und Kicker sind mega bissig, spielen richtig guten, sehr fairen Fussball und wollen vor allem eins: gewinnen!»  

Dominanter Beginn

Der ehemalige Grossmünsterpfarrer Christoph Siegrist hat das interreligiöse Team 2008 gegründet. Seitdem spielt es ein, zwei Mal jährlich gegen Teams aus Gesellschaft und Politik. Auch an diesem Montagabend Ende Juni 2025 stehen muslimische und jüdische Religionsvertreter wieder gemeinsam mit reformierten und katholischen Kirchenleuten auf dem Platz. Dass dies angesichts der Konflikte und des anspruchsvollen interreligiösen Dialogs keine Selbstverständlichkeit ist, wissen alle.

Vor dem Anpfiff bilden die beiden Mannschaften einen Kreis und sammeln sich zu einer Schweigeminute. «Wir lassen uns nicht spalten», sagt jetzt «reformiert.»-Redaktionsleiter Felix Reich, der beim FC Religionen spielt. «Wir bringen unsere Sprachlosigkeit zum Ausdruck, indem wir schweigend in unserer je eigenen Tradition für das beten, an das denken, was uns verbindet: die Sehnsucht nach Frieden.» 

Einen Moment lang ist nur der Wind zu hören, der durch die Silberpappeln rauscht, die den Hardhof von der Limmat trennen. Kurz darauf rollt der Ball. Der FC Religionen dominiert das Spiel. Bereits in der fünften Minute schiesst Reich mit der Nummer 7 auf dem Rücken das erste Tor. Wenig später die zweite Chance, die 7 lupft den Ball von ausserhalb des Strafraums über den Goalie hinweg ins lange Eck: Goal! 

Heilige Verwirrung

Doch diesmal ist die Nummer 7 der Gossauer Pfarrer Johannes Huber, der später noch zum 3:0 erhöht. Im FC Religionen tragen alle Spielerinnen und Spieler das gleiche Trikot: um den Gegner zu verwirren und weil die 7 in vielen Religionen eine heilige Zahl ist. 

Dass Humor eine wichtige Zutat ist, zeigt sich auch im weiteren Verlauf des Spiels, das ohne Schiedsrichter auskommt. Über die Offside-Situationen sind sich die Spieler schnell einig, gefoult wird kaum. «Wir sind besonders vorsichtig, was Rempeleien angeht», sagt Amir Dziri. Er ist Professor für islamische Studien an der Universität Freiburg. Freilich gebe es trotzdem brenzlige Situationen, weil man den Ball erobern und gewinnen wolle. 

«90 Minuten Fussball in einem interreligiösen Team sind lehrreicher als 100 Bücher.»
Amir Dziri, Professor für islamische Studien

Dziri empfindet solche Begegnungen auch als Gegengewicht zur Überforderung und Isolation im digitalen Raum. «Wer 90 Minuten in einem religiös gemischten Team spielt, lernt mehr, als wer 100 Bücher liest.» In der zweiten Halbzeit verliert die Partie an Tempo. Auch Langenegger gelingt für den Kantonsrat ein Tor, doch die Religionen kontern, Imam Irfan Musliji drückt den Ball über die Linie. Es wird geklatscht, gepfiffen, gejubelt: «Jawoll! Nochmals!», feuern Fans und Auswechselspieler an, die Stimmung ist nun richtig gut. 

Bereichernde Gespräche

Nach dem sportlichen Wettbewerb wird es gesellig: Bei Pizza und Getränken sitzen beide Teams zusammen, lassen das Spiel Revue passieren, kommen ins Gespräch. 

Ein Imam erzählt von seinem Arbeitstag als Seelsorger im Universitätsspital Zürich und vermittelt so einen eindrücklichen Einblick in eine für viele unbekannte Alltagswelt. Vielleicht auch für Politiker, die über die Notwendigkeit der muslimischen Seelsorge debattieren.

Man treffe sich wegen der gemeinsamen Passion für den Sport und um miteinander Spass zu haben, sagt Shirtai Holtz von der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Aber auch für den Dialog. «Wir sind hier für den Frieden und nicht für den Konflikt.»