Und er freut sich doch

Schlusspunkt

Es gibt tausend Gründe, dem unappetitlichen Fussballgeschäft den Rücken zu kehren. Und trotzdem bleibt Fussball ein Stück Freiheit, das Grenzen überwindet.

Geld. Nun spielen sie wieder. Oder genauer: Nun verdienen sie wieder. Damit die Kasse klingelt, dürfen mehr Mannschaften mitmachen. Dass Teams mit der Kragenweite von Island und Nordirland Eingang ins Pa­nini-Album finden, wäre in der guten alten Fussballzeit undenkbar gewesen. Und auch der Abziehbilderproduzent aus Italien selbst sorgt mit immer neuem Zusatzmaterial dafür, dass sich die Sparschweine noch schneller leeren und Kindheits­träume zu Geld werden. Es ist nicht leicht, sich am Start der Europameisterschaft zu erfreuen. Von den Machenschaften in den Verbänden und dem Irrsinn, der jedem Grossanlass innewohnt, ganz zu schweigen.

Erfolg. Es gibt nur allzu gute Gründe, das Geschäft mit dem Fussball mies zu finden. An den für absurde Summen verhökerten Übertragungsrechten verdienen ziemlich zwielichtige Akteure. Und trotzdem werden ich einschalten. Die Bedenken werden sich verflüchtigen, sobald der Ball rollt. Die Freude kommt mit dem Erfolg. Übrigens auch bei all jenen, die gerne vom Balkangraben in der Schweizer Mannschaft schwadronieren. Fussball ist ein einfaches Spiel. Wenn einer genug Tore schiesst, fragt niemand mehr, ob er die Hymne singt. Zum Glück.

Freiheit. Fussball mag eine schmutzi­ge Geldmaschine sein. Trotzdem hat er eine herrliche Irrelevanz bewahrt. Und darauf freue ich mich: neunzig Minuten mitfiebern, ver­pas­s­ten Chancen nachtrauern, Tore bejubeln. Und nach dem Schluss­pfiff merken, dass es vollkommen egal ist, wer gewonnen hat. Das Leben geht weiter. Darum ist es so hirnverbrannt, dass sich Fans persönlich beleidigt fühlen, wenn ihre Mannschaft verliert und Leidenschaft in Ge­walt umschlägt. Bleibt Fussball ein Spiel, ist er ein Stück Freiheit. Dann überwindet er tatsächlich Gren­zen. Ich kann mit wildfremden Menschen von Marco van Bastens Fi­naltor von 1988 schwärmen – dieser Winkel! Oder besser noch: Ich ver­stehe mich mit Menschen, deren Spra­che ich nicht spreche. Ein Dop­pelpass und der Ball kullert auf dem holprigen Rasen eines Parks zwi­schen zwei Jacken hindurch. Tor! Und wir freuen uns wie Kindsköpfe.