Recherche 14. Juni 2018, von Corina Hany

Die Reformierten im Fussballfieber

Sport

Die WM in Russland hat begonnen. Auch Pfarrerinnen und Pfarrer begeistern sich für den Fussball und erzählen, wo das Spiel sogar Teil ihrer Arbeit wird.

Begonnen hat es mit zwei fussballverrückten Sigristen und einer Liegenschaftsverwalterin. Sie fanden, die reformierte Kirche Altstetten könnte während der Fussball-WM ein Public Viewing durchführen. Tolle Idee, fanden die Pfarrerinnen Ulrike Müller und Muriel Koch und helfen nun mit, den «Chilehügel» hinter dem Lindenplatz in einen Festplatz zu verwandeln.

Der besondere «Spirit»

«Fussball bringt Menschen zusammen, die sich sonst nicht begegnen», begründet Müller ihr Enga­gement. Koch sagt: «Wir möchten den Menschen im Quartier etwas bieten, das über unser Kernangebot hinausgeht und über die Religionsgrenzen hinweg verbindet.» Beide Pfarrerinnen wollen so viele Spiele wie möglich auf dem «Chilehügel» verfolgen. Müller spricht in der Predigt auch schon mal über Fussball: «Stars wie Ronaldo oder Messi machen noch keine Mannschaft. Es braucht diesen ganz besonderen Spirit, damit mehr möglich ist, als man denkt. Das gilt auch für eine Kirchgemeinde. Wie es dazu kommt, finde ich spannend.»

Johannes Huber, Pfarrer in Gossau, macht das Spiel mit dem Ball ab und an zum Thema. In einem Konfirmationsgottesdienst und an einem Paar-Weekend nahm er den Championsleaguefinal 2005 als Beispiel, dass sich das Weiterkämpfen lohnt, auch wenn es aussichtslos erscheint. Damals lag der FC Liverpool zur Halbzeit gegen AC Milan 0:3 zurück – und gewann das Spiel im Elfmeterschiessen doch noch.

Gottesdienst als Halbzeitpause

«Wenn ein Trainer in der Pause die richtigen Worte findet, kann das enorm viel bewirken. Ich ziehe da Parallelen zu meiner Arbeit als Pfarrer», sagt Huber. Für ihn sei der Gottesdienst wie eine Pause. Manchmal laufe es den Menschen gut, dann sei das Hören auf Gott hilfreich, um nicht abzuheben. «Liegen schwierige Tage hinter einem, vermitteln Gebet und Predigt Hoffnung, dass es in der kommenden Woche wieder besser wird.»

Huber kennt die Kraft der Worte auch als Spieler. Er kickt regelmässig beim FC Religionen. Als die Equipe einmal zu verlieren drohte, wusste der Trainer in der Pause die richtige Taktik für die zweite Halbzeit. Das Team gewann. Am 10. Juni waren aber kaum Worte nötig. Die Religiösen besiegten ein Wipkinger Prominententeam, bei dem auch Andy Egli spielte, mit 13:1.

Ein grosses Fest

Wer am 17. Juni im Spiel Brasilien gegen die Schweiz siegen soll, ist für César Do Nascimento zwar klar: sein Heimatland Brasilien. Doch der Pfarrer der portugiesischsprachigen evangelischen Kirche in Zürich hegt auch Sympathien für die Schweiz und würde ihr einen guten Match gönnen. Denn die Hälfte seiner Familie stammt von hier.
Do Nascimento spielt leidenschaftlich gerne Fussball. «Wir Brasilianer lieben dieses Spiel, das liegt in unseren Genen.» Dabei geht es ihm nicht nur um die Kombination von Technik und Kreativität, sondern auch ums Zusammensein mit den Teamkollegen. Klar, schaut der Pfarrer die WM-Spiele mit Familie und Freunden. «Wir organisieren einen grossen Bildschirm, trinken, essen, reden. Die WM ist ein Fest, das alle vier Jahre stattfindet.»

Vor vier Jahren fand die Party für die Brasilianer im Halbfinale ein Ende: 1:7 verlor die Mannschaft gegen den späteren Weltmeister Deutschland – für Do Nascimento ein Schock. Dass seiner Mannschaft dieses Jahr Ähnliches widerfahren könnte, glaubt er nicht.

Natürlich Brasilien

Und wer wird Weltmeister? Do Nascimento tippt auf einen Final zwischen Brasilien und Portugal, mit Brasilien als Gewinner. Die Brasilianer stehen auch bei Johannes Huber hoch im Kurs, genauso wie Deutschland und Spanien. Ulrike Müller fände eine afrikanische Mannschaft als Weltmeister schön, und Muriel Koch traut den Engländern den Titel zu.