Warum ich nur Zaungast war

Schlusspunkt

Vielleicht ist die Ökumene ein grosses Trotzdem. Widersprüchliche Betrachtungen aus persönlicher Perspektive zur Messe, die der Papst in Genf gefeiert hat.

Ich komme zu spät und kann mich gerade noch vorne zwischen den Stuhlreihen auf den Boden kauern. Der Papst ist schon da. Er sitzt auf seinem weissen Thron, um ihn viel Personal. Die versammelte Bischofskonferenz zu sei­ner Rechten. Es ist Papstmesse in der Palexpo-Halle in Genf. Die Musik klingt nach Taizé mit Zuckerguss.

Mich befremdet die Megamesse. Ökumene ist zuweilen die Erfahrung von Distanz. Nachdem Papst und Bischöfe auf der Bühne die Eucharistie zelebriert haben, schwärmen die Prie­ster in der Halle aus, um die Hos­­tie auszuteilen. Ich überlege, ob die Einladung auch für mich gilt.

Vielleicht irgendwie doch eingeladen

Der geschlossene Männerzirkel irritiert mich. Am Morgen hatte der Papst vor dem ökumenischen Rat der Kirchen gesagt, dass sich auf Christus ausrichten soll, wer Einheit suche. Während die Menschen über mich hinweg steigen, um die Hostie zu empfangen, denke ich, dass es insbesondere mit Blick auf Christus keinen theologischen oder sonstwie vernünftigen Grund geben kann, Frauen vom Priesteramt auszuschliessen.

Ein Weihbischof hat zwar zum Kommunionempfang «alle christlichen Brüder und Schwestern herzlich willkommen» geheissen. Aber der Papst verlor in Genf kein Wort über die eucharistische Gastfreundschaft. Und wie oft las ich, dass ihr Amtsverständnis und fehlende Einheit im Weg stehen? Da ist es doch nur konsequent, wenn ich in reformierter Freiheit sitzen bleibe.

Und dann tut es doch noch weh

Und doch ist da ein Schmerz. Es tut weh, nicht gemeinsam Abendmahl zu feiern. Als ich mich durch das Gewusel zum Bahnhof schlängle, merke ich, dass der Schmerz klärend war. Ich finde mich nicht ab mit dem ökumenischen Schwebezustand: Stillstand in der Lehre, Bewegung in der Praxis. Ich treffe bekannte Gesichter, denen ich mich im Glauben verbunden weiss. Sie sind katholisch, ich reformiert. Na und?

Denke ich über Einheit nach, wird mir immer ein wenig schwindlig. Welche Einheit meine ich? Keinen Einheitsschwindel, der Dogmen in pathetische Wortwolken hüllt. Keinen Einheitsbrei, der Unterschiede negiert. Aber Einheit, in der wir zusammen singen, beten, feiern, weil wir unabhängig von Struktur und Tradition eine Kirche sind. Ja! Trotz allem eine Kirche.

Vorwärts gehen trotz der Stolpersteine

Ökumene scheint mir ein grosses Trotzdem: zusammen den Weg gehen trotz Stolpersteinen, vom Gegenüber lernen trotz zeitweiligem Unverständnis, Stolz auf Errungenschaften der eigenen Konfession und trotzdem keine Selbstgerechtigkeit, trotz allem Freude am verbindenden Glauben und geteiltes Brot des Lebens.