Der Weltkirchenrat ÖRK feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen und lud aus diesem Anlass Papst Franziskus in die Schweiz ein. 350 Kirchen mit rund 500 Millionen Christen gehören dem ÖRK an, darunter Lutheraner, Reformierte, Anglikaner, Orthodoxe sowie einige Pfingst- und Freikirchen. Die katholische Kirche mit ihren weltweit 1,2 Milliarden Mitgliedern ist nicht Mitglied des ÖRK.
Zehntausende Menschen reisten nach Genf, um Franziskus zu sehen. Darunter drei Bundesräte und etliche Vertreter der christlichen Kirchen. Sie kamen mit hohen Erwartungen. Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des ÖRK, meinte schon als er den Papst begrüsste: «Dies ist ein Tag, den viele Menschen in aller Welt herbeigesehnt haben und für den sie gebetet haben.»
Hoffnung auf Fortschritte in der Ökumene
Viele erhofften sich vom Papstbesuch Fortschritte vorab in der Ökumene. Bruder Alois, Prior der Taizé-Gemeinschaft, erwartete mehr Elan für die Ökumene und dass Franziskus die sichtbare Einheit in Erinnerung ruft. Auch Lurdes Guimaraes Teixeira, die in der Kommunikationsabteilung des ÖRK in Genf arbeitet, unterstrich die Bedeutung des päpstlichen Auftritts. «Sein Besuch ist ein Schritt auf eine sichtbare Einheit hin.»
Vom Besuch bleibt der Eindruck eines charismatischen Papstes, der beim Bad in der Menge Kleinkinder segnete und mit begeisterten Gläubigen und Vertretern der christlichen Kirchen eine katholische Messe feierte. In seiner Ansprache blieb Franziskus jedoch eher vage.
Wurden die hohen Erwartungen trotzdem erfüllt? Ja meint, Martin Hoegger, reformierter Pfarrer aus dem Kanton Waadt. Es habe ihn berührt, dass der Papst mit dem Besuch den Schwerpunkt auf den ÖRK legte. «Das Schiff der katholischen Kirche gibt einen neuen Impuls für die Einheit der Christen.»
Dem stimmt auch Bischöfin Rosemarie Wenner aus Deutschland zu, die den Weltrat methodistischer Kirchen im ÖRK vertritt. Jetzt brauche es weitere gemeinsame Schritte für mehr Einheit und Veränderung in der Welt. Das führe zu mehr Gerechtigkeit und Frieden - einem Herzensanliegen der Weltmethodisten.
Zufrieden mit dem Papstbesuch ist auch Georges Tamer, Mitglied der antiochisch-orthodoxen Kirche im Libanon. Für ihn war es ein bedeutendes Zeichen der ökumenischen Nähe: «Der Vatikan nimmt die ökumenische Bewegung jetzt voll und ganz wahr. Franziskus liegt daran, mit uns zusammen zu feiern.» «Franziskus zeigte uns, was die Einheit der prophetischen Stimme in der Welt bedeutet», sagt Pfarrerin Deolinda da Graça Paulo Teca, Generalsekretärin des Rates christlicher Kirchen in Angola.
Die Frauen warten auf ein Zeichen
Auch die Frauen meldeten sich mit ihren Anliegen zu Wort. Pfarrerin Laurence Ganglaff aus Hagenau im Elsass vertritt das internationale Komitee des Weltgebetstags. Sie hoffte, den Papst persönlich zu treffen, um ihm ein Poster des Weltgebetstags zu übergeben und ihm zu sagen, wie sehr die Frauen darauf warteten, dass er ihnen einen Platz gebe in der grossen Kirche.
Ganglaff möchte, dass der Papst mit den Frauen am Weltgebetstag mitbetet, dies würde eine Öffnung der katholischen Welt bedeuten. Im Elsass sei es schwierig, in einen Dialog mit katholischen Autoritäten zu treten. «Wenn der Papst mit uns Frauen beten würde, würde er damit sagen: Ich habe mich informiert über das, was ihr tut. Das wäre ein wirkliches Zeichen.»
Ob dies in Zukunft geschieht, bleibt offen. Zuzutrauen wäre es Franziskus. «Der Papst wird uns noch überraschen», prophezeit Jane Stranz Pfarrerin in der protestantischen unierten Kirche Frankreichs.