Er war der erste emeritierte Papst

Joseph Ratzinger

Papst Benedikt XVI. ist 95-jährig verstorben. Mit seinem Rücktritt vom Papstamt im Jahr 2013 geht er in die Geschichte ein. Als Kirchenoberhaupt bleibt er aber umstritten.

«In Trauer teile ich Ihnen mit, dass der emeritierte Papst Benedikt XVI. heute um 09.34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist.» Diese Nachricht kam am Silvestermorgen aus Rom vom Vatikansprecher Matteo Bruni.

Schon Tage zuvor hiess es, Benedikt, der mit bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger hiess, sei sehr krank. Nun ist das einstige Oberhaupt der Katholischen Kirche im früheren Kloster in den Vatikanischen Gärten 95-jährig gestorben.

Nach der Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger im Februar 2003 hatten viele Gläubige die Hoffnung, dass der scharfsinnige Theologe einige Reformen in der römisch-katholischen Kirche auf den Weg bringen könnte. Doch folgten seinen verständnisvollen Worten, wie etwa im Zusammenhang mit der Aufarbeitung und Prävention sexueller Übergriffe in der Kirche, kaum Taten.

Benedikt XVI. war letztlich wohl mehr Theologe und Buchautor denn Kirchenpolitiker. Sein bekanntestes Werk, an dem er noch vor seinem Pontifikat zu arbeiten begann, erschien im Jahr 2007. Der Autor, obwohl unterdessen in Papstwürden, trat ausdrücklich als Privatgelehrter Joseph Ratzinger auf, denn die theologische Studie wollte er nicht als lehramtliche Schrift verstanden wissen.

«Jesus von Nazareth» lautet der Titel des dreibändigen Werks, und es sorgte in theologischen Kreisen wie auch bei Tausenden von Gläubigen für Aufmerksamkeit. Im Buchhandel sprach man damals vom «bislang erfolgreichsten Start eines religiösen Sachbuches». Darin geht Ratzinger der Frage nach, ob Jesus «bloss» ein genialer Mensch, liberaler Wanderprediger oder politischer Aktivist war – oder eben doch der Sohn Gottes und Erlöser der Welt, wie es die Kirche lehrt.

Der Autor kam zum Schluss: Jesus sei schon zu Lebzeiten als Sohn Gottes aufgetreten und verstanden worden. Damit stellte sich Ratzinger bekenntnishaft gegen die Mehrheitsmeinung heutiger Bibelforschung. Diese lautet, dass man Jesus die Gottessohnschaft erst Jahre und sogar Jahrzehnte nach seinem Tod verbindlich zugeschrieben habe.

Auch betont Ratzinger in seinem Werk dezidiert den jüdischen Nährboden des Christentums. Dennoch war sein Verhältnis zum Judentum in seiner päpstlichen Funktion nicht ungetrübt; er war der Überzeugung, dass es sich beim Judentum um keinen eigenen Heilsweg handle und auch die Juden nur durch Jesus errettet werden könnten.

Auch die evangelischen Kirchen stiess der konservative Papst vor den Kopf, indem er ihnen das Kirchsein absprach, und die Muslime erzürnte er mit einem unpassenden Zitat.

Wo Gott nicht gesehen wird, verfällt der Mensch und verfällt die Welt.
Josef Ratzinger in «Jesus von Nazareth»

Dass er wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit anderen Religionen und Konfessionen an den Tag legte, war das eine. Das andere war der Bericht über eine innerkirchliche Untersuchung, in dem von Machenschaften der Vatikanbank, Machtgerangel in der Kurie und erpressbaren Kardinälen die Rede war. Insider vermuteten, dass dieser Bericht der Grund war, warum Benedikt XVI. beschloss, von seinem Amt zurückzutreten und sich pensionieren zu lassen – «emeritieren», wie es bei hochrangigen akademischen und kirchlichen Würdenträgern heisst.

Somit war er der erste Papst, der jemals vom Amt zurückgetreten ist. Auch sein Nachfolger, der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, ist in mehrerer Hinsicht der erste: der erste Papst mit Namen Franziskus und der erste Papst aus dem Orden der Jesuiten. Und der erste nichteuropäische Ponitfex seit dem 8. Jahrhundert.