Seit bald drei Jahren führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Wie präsent ist der Krieg in Ihrem Alltag?
Jens Siegert: Auf den ersten Blick hat sich in Moskau nicht viel geändert. Es ist eine Stadt mit allen Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten, wie sie auch andere europäische Städte haben. Aber der Krieg drückt den Menschen auf die Stimmung. Er wird meist nicht direkt angesprochen, aber immer wieder ist die Rede von «schwierigen Zeiten». Und viele meiner Freunde und Bekannten haben das Land verlassen, weil sie es nicht mehr ertragen konnten oder ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet war.
Wie schätzen Sie Ihre Sicherheitslage ein?
Natürlich habe ich mir schon nach Kriegsbeginn darüber Gedanken gemacht. Ich kam zum Schluss, dass ich im schlimmsten Fall rausgeworfen würde. Aber die Lage muss man immer wieder neu beurteilen.
Insbesondere nach dem Gefangenenaustausch, bei dem neben Oppositionellen auch der US-Journalist Evan Gershkovich zum Faustpfand wurde. Könnte das Russland dazu verleiten, vermehrt Ausländer als Geiseln zu nehmen?
Diese Frage stellen sich viele Ausländer in Russland. Wobei bei dem Austausch Freunde von mir freikamen, etwa Oleg Orlow, Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Memorial. Ich habe mich sehr für ihn und die anderen gefreut.