Eine Sofaecke und Stoffsessel im dänischen Stil, dahinter ein langer Tisch mit zwölf eleganten Bürostühlen und Netzanschlüssen. An der Wand kleben Post-its mit Management-Slang, etwa «Flow-Prinzip» oder «Start with the WHY». Weitere Arbeitsplätze bietet die Kaffeeküche. «Blau10» heisst der Coworking-Space der Landeskirche in der Zürcher Altstadt.
Nach zwei Jahren Pilotphase ist nun entschieden: Das Büro, das Externen Arbeitsplätze und Infrastruktur wie Drucker, WLAN und Sitzungsraum zur Verfügung stellt, bleibt. Die Landeskirche wertet es als Erfolg, denn im «Blau10» arbeiten regelmässig über 40 Firmengründer, Freiberufler und Studierende. Sie zahlen nur relativ tiefe Mitgliederbeiträge und sind in Themen wie Nachhaltigkeit oder Migration tätig. Dass viele von ihnen aus dem nicht-kirchlichen Umfeld stammen, stört Mathias Burri von der Abteilung Kirchenentwicklung nicht. «So können wir uns als Kirche mit Firmengründern über Themenbereiche austauschen, in denen wir uns auch engagieren.»
«Blau10» als Blaupause
Bei den Nutzern stösst das Angebot auf Resonanz. «Die Kirche hat hier eine echte Chance, die Szene des sozialen Unternehmertums zu unterstützen», sagt Manuel Lehmann von Thinkpact Zukunft, der sich mit kollaborativem Wirtschaften beschäftigt. Geht es nach der Landeskirche, könnte «Blau10» zur Blaupause für ähnliche Projekte werden. Denn die Kirche sieht Coworking als Möglichkeit für Kirchgemeinden – vor allem in ländlichen Regionen. Nicht zuletzt, weil sich viele Gemeinden infolge von Fusionen mit Leerständen und Umnutzungen auseinandersetzen. «Coworking-Spaces wären eine gesellschaftsrelevante und nachhaltige Immobiliennutzung», sagt Burri. Sie kämen Trends wie der flexibleren Arbeitswelt entgegen und entlasteten die Umwelt, weil weniger Menschen zum Arbeitsort pendeln müssten.
Kinderbetreuung als Zusatzangebot
An einer Infoveranstaltung für Gemeindevertreter rührte die Landeskirche im Juni die Werbetrommel für Coworking-Konzepte und präsentierte bereits einen externenPartner: die VillageOffice Genossenschaft, die ein landesweites Netz von Coworking-Büros aufbaut. Sie berät gemeinsam mit der Landeskirche interessierte Gemeinden.
Remo Rusca von VillageOffice sieht im Coworking «eine Einladung für die Kirche, verstärkt in den Dialog mit der Gesellschaft einzutreten». Zugleich könnte sie eigenes Know-how einbringen. Burri nennt ein Beispiel: «Gerade auf dem Land bräuchte es Coworking in Kombination mit anderen Angeboten, beispielsweise Kinderbetreuung.» Derartige Konzpte lassen sich selbst in der Stadt an einer Hand abzählen. In Zürich ist der Pionier kirchennah. Der Cevi bietet zentral im Glockenhof Kinderbetreuung an und betreibt ein Café, in dem auch gearbeitet werden kann.
Beim Bahnhof einsteigen
Bei den Kirchgemeindevertretern, die an der Infoveranstaltung teilnahmen, kam die Idee gut an, wie sich auf Nachfrage zeigt. Anwesend waren Hirzenbach, Eglisau, Bülach, Affoltern, Marthalen und Furttal. In Eglisau prüfen SBB und Village-Office derzeit das Potenzial für einen Coworking-Space in den Räumen des alten Bahnhofs. Die Kirchgemeinde erwägt eine Beteiligung.
Die Kirchgemeinde Hirzenbach prüft die Integration des Konzepts in ihr Neubauprojekt für die Kirche. Auch das neue Begegnungsprojekt Zytlos im Kirchgemeindehaus Enge offeriert im Café Infrastruktur zum Arbeiten – allerdings bei reduzierten Öffnungszeiten.
Für andere Gemeinden sind Projekte noch nicht spruchreif. Auch die Finanzierung wirft Fragen auf: Ziel sei ein selbsttragendes Konzept, möglicherweise in Kooperation mit den politischen Gemeinden, sagt Burri. Er geht davon aus, dass in ein, zwei Jahren vermehrt kirchliche Coworking-Spaces ihren Betrieb aufnehmen werden. Denn der Bedarf sei vorhanden: «Wenn wir es nicht machen, dann macht es jemand anderes.»