Warum denke ich beim Stichwort Kirchenkafi an lötigen Kaffee
anstatt schaumigen Cappuccino?
Corinne Dobler: (lacht) Manchmal tritt die reformierte Kirche zu genügsam auf. Mit einer richtig guten Kaffeemaschine aufzufahren passt nicht zu den Reformierten. Die kostet schliesslich, wir müssen aufs Geld achten … Und mit der Zehn-Liter-Kanne Filterkaffee gibt es immerhin keine langen Wartezeiten. Die Frage hat auch mit Genuss zu tun: Dürfen wir Reformierten geniessen? Aber ich muss auch sagen: Es gibt unterschiedliche Kirchgemeinden und tolle Kirchencafés. Ich kenne welche in Zürich, in den Städten.
Was veranlasste Sie, Freiwilligen aus Kirchgemeinden einen Kurs in guter Bewirtung anzubieten?
Den Kurs habe ich von meinem Vorgänger übernommen. Wir unterstützen, dass das gastronomische Angebot an Kirchenanlässen professioneller organisiert wird. Oft stecken Laien dahinter, die normalerweise daheim kochen. Gastronomie für Anlässe mit vielen Gästen ist aber eine andere Sache. Wir zeigen zum Beispiel, was man mit wenig Budget, schnell und ohne grosse Kühlmöglichkeiten zubereiten kann. Auch sprechen wir über Ernährungstrends. Nur Grillwurst und Speckzopf anzubieten ist nicht zeitgemäss. Der Anlass soll einladend gestaltet sein.
Was sind typische Stolpersteine an Kirchlanlässen mit Gastronomie?
Oft die Hygiene oder die Art, wie etwas präsentiert wird. Und auch, wie die Gastgeber auftreten und was sie anhaben. Man muss saubere Hände und Nägel haben, wenig Schmuck tragen und auch keine bis über die Knöchel hochgezogenen Pulswärmer. Speisen könnten oft appetitlicher präsentiert werden. Da denken viele pragmatisch: Ah, da steht ein Tisch, stellen wir doch alles dort drauf. Ein Tisch muss aber am richtigen Ort stehen und sieht mit einem weissen Tischtuch einfach gleich schöner aus. Manches Essen liegt nach zwei Stunden schlapp und verloren auf dem Teller.
Die Tradition der Bewirtung gibt es in der Kirche schon lange. Warum hat sich nicht schon längst eine
gewisse Professionalität etabliert?
Es hat wohl damit zu tun, dass oft Freiwillige involviert sind, die das nur sporadisch machen. Auch wird das gemeinsame Essen nicht so in den Mittelpunkt gestellt. Statt «Hallo, wir laden euch jetzt herzlich zu etwas ein!» auszustrahlen, senden wir eher die Botschaft «Ach übrigens, es gibt noch was zu essen» aus. Dabei ist zusammen essen und trinken so schön und wichtig! Bei uns in der Kirche Bremgarten gibt es nach unseren Anlässen meistens was zu essen.
Die Schweiz ist generell nicht gerade für Gastfreundschaft bekannt.
Andere Kulturen sind gastfreundlicher als wir. Doch in traditionellen Familienbetrieben, wo der Wirt im Lokal ist und die Gäste persönlich kennt und begrüsst, erlebe ich grosse Gastfreundschaft. In Restaurantketten oder an Touristenorten fühlt man sich dagegen als Gast nicht immer wertgeschätzt.
Lernen Ihre Kursteilnehmer Gastfreundschaft?
Wir zeigen ihnen, wie man Gäste begrüsst. Ob sie es dann so machen, ist eine andere Frage. Die Freiwilligen sind oft lieber im Hintergrund. Sie stellen eifrig Stühle zusammen, fühlen sich an der Front aber unwohl. Sie sind auch weniger fix dabei wie etwa Kirchenpfleger. Ich wünsche mir, dass Freiwillige erkennen, dass sie ein wichtiger Teil der Kirche sind, einer Kirche, die auch Gastgeberin ist.
Warum verbinden Sie in Bremgarten Kirchenanlässe stets mit Essen?
Jesus ass und trank immer mit allen Menschen, das gemeinsame Mahl ist in der Bibel zentral. Beim Essen erlebt man Gemeinschaft, für mein Empfinden sogar mehr als im Gottesdienst. Essen ist nicht nur eine Notwendigkeit, mit der wir leider auch riesige Abfallberge produzieren, sondern eine tiefe Glaubenspraxis, die uns spüren lassen kann, dass wir Teil eines Ganzen sind und uns für dieses Ganze einsetzen. Ich kann es am besten mit den fünf Betrachtungen über das Essen im Buddhismus erklären: Wir sollten dankbar sein dafür, dass so viele Wesen für Nahrung sorgen. Darum sollen wir achtsam essen, die Nahrung mit allen Sinnen aufnehmen, ohne Gier. Dank der Nahrung bekommen wir Kraft, in der Welt zu bestehen. Es wäre schön, wenn das Mahl in der Kirche mehr gewürdigt würde, denn unser Umgang mit Lebensmitteln ist ein brennendes Thema.
Kurs «Basiswissen Gastgeberin», 23. März, 9–16 Uhr, Bildungszentrum BZU, Unterentfelden. Anmeldung: www.ref-aargau.ch (Suche: Veranstaltungen). Kosten: Fr. 50.–, inklusive Unterlagen und Mittagessen.