Eine Filmemacherin bahnt sich ihren Weg

Kino

Lara Spescha lebt für den Film. Mit ihrem ersten Film über Mobbing füllte sie die Kinos von Ilanz und Disentis.

Lara Spescha war 17 Jahre alt, als ihr erster Film die Kinos von Disentis und Ilanz füllte. In ihrem Kurzfilm «En miu cor» («In meinem Herzen») geht es um Mobbing in der Schule. Etwas, das sie aus eigener Erfahrung kennt. «Mitschüler demolierten meine Sachen, ich wurde gewürgt und eingesperrt», sagt sie. Das Schlimmste war, so Spescha, dass Lehrpersonen nie eingriffen. Nach der zweiten Sekundarklasse brach sie die Schule ab und wechselte an die Kunstschule in Liechtenstein. Ihre Projektarbeit während eines Filmseminars stach unter den Teilnehmern heraus. «Hier ermutigte mich zum ersten Mal jemand zum Filmemachen», sagt Lara Spescha.

S

chweigen. Vom Filmemachen träumt Lara Spescha, seit sie denken kann. Vielleicht weil die Mutter ihr den Namen einer berühmtem Filmfigur, Lara aus «Doktor Schiwago», gab, scherzt sie. Sicher aber der Grossmutter wegen, mit der sie sich immer Disneyfilme anschaute. «Die Magie dieser Filme fasziniert mich noch heute.» Genauso wie die Geschichten von «Federli Hui», ein von Grossmutter erfundenes Fabelwesen, das immer neue Abenteuer erlebte. «Auch ich bin eine Erzählerin. Die Macht des Filmes will ich nutzen, um den Menschen die Augen zu öffnen.» Etwa wenn es um Mobbing in der Schule geht. Weil Betroffene aus Angst und Scham zu lange schweigen, käme Hilfe oft zu spät. Sie selbst habe ihre Familie erst darüber informiert, als sie es nicht mehr aushielt. Zwischen 200 und 300 Mobbingfälle aus der Schule erreichen den Schulpsychologischen Dienst Graubünden jährlich. Die effektive Zahl, so Abteilungsleiter Georges Steffen, sei sicher grösser. In ihrem Kurzfilm inszeniert Spescha in starken Bildern, wie Mobbing entsteht, wer was dagegen tun kann. «En miu cor» zeigt sie auf Einladung regelmässig an Schulen und berichtet aus ihren Erfahrungen.

Durchhalten. Jugendarbeiterin Gabriela Cabalzar, die ihr bei der Realisierung des Kurzfilms in Disentis zur Sei

te stand, erinnert sich: «Lara war ein Paradiesvogel», lacht sie, «aber sie wusste immer, was sie wollte.» So sollte die Filmpremiere unbedingt am 14. Februar, dem Valentinstag, stattfinden. «Und sie hat Biss.» Weder die an die Filmcrew ge

richteten Einschüchterungsversuche noch die zer

rissenen Filmplakate vor der Premiere hinderten sie am Weitermachen.

Auf «En miu cor», sagt Lara Spescha, sei sie immer noch stolz, damit habe sie etwas erschaffen. «Alleine schon, dass ich meine Mobber ins Kino brachte. Ihre Blicke vergesse ich nie.»

Speschas Schaffensdrang ist ungebrochen. Nach ihrer Ausbildung begann sie mit den Filmarbeiten an «Der Fänger», einem Ausschnitt ihres Fantasy-Buches «Der schwarze Stern der Nacht». In diesem Buch beschreibt Spescha die Welt der Werwölfe, Vampire, Elfen und ihrem verborgenen Leben unter den Menschen. «Ich lerne jetzt elbisch», sagt sie und lacht. Im «Fänger» geht es um ein Mädchen, das an Amnesie leidet und auf der Suche nach sich selbst von Werwölfen verfolgt wird.

Die Filmemacherin holt ein grosses dickes Buch vom Gestell und schlägt den mit glitzernden Kreuzen, goldenen Schlüsseln und Adleremblemen verzierten Buchdeckel auf. «Meine Bibel», sagt Spescha. So nennen Drehbuchautoren ihr Hand

buch, worin sämtliche Figuren bis ins Detail beschrieben sind. In ihrer Bibel entwirft Lara auch eine Reli

gion: «Die Menschen sind Sterne. Wenn sie sterben kehren sie zum Mutterstern zurück, tanken auf und kommen neu in die Welt.»

Kooperieren. «Der Fänger» soll Ende Jahr fertiggestellt sein. Gedreht wird nach der Arbeit und an Wochenenden. Sie hofft, den Streifen an möglichst vielen Filmfestivals zeigen zu können, auch international. Denn hierzulande hätten es Fantasy-Produktionen schwer, so Spescha. Sie bedauert, dass die Schweiz nicht mehr Kooperationen mit Nachbarländern eingeht. Damit hätte man mehr Sprachen abgedeckt und eine grössere Vielfalt ermöglicht. «Die neue Generation Filmemacher», sagt Spescha mit Augenzwinkern, «findet, dass es langsam genug Heidi-Filme gibt.»

Lara Spescha, 23

Nach Studienaufenthalten im Liechtenstein und in Wien absolvierte Lara Spescha eine zweijährige Ausbildung als Drehbuchautorin an der Schule für angewandte Linguistik (SAL) und als Filmerin an der School of Audio Engineering (SAE) in Zürich. Regelmäs

sig hält sie Referate über Mobbing an Volks

schulen. Sie lebt in Frauenfeld und arbeitet in einer Kommunikationsagentur.